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<title>FSFE: Europäische Kommission gibt unter dem Druck proprietärer Lobbyisten bei Interoperabilität nach</title>
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<h1>FSFE: Europäische Kommission gibt unter dem Druck proprietärer Lobbyisten bei Interoperabilität nach</h1>
<h2>Freie-Software-Industrie kritisiert Anmerkungen des Vizepräsidenten der Kommission
Siim Kallas</h2>
<p>Die Europäische Kommission hat den Forderungen der Lobbyisten
von Microsoft und SAP Folge geleistet, als sie ein wichtiges Dokument über Interoperabilität
zwischen eGovernment-Diensten überarbeitete. Die Free Software Foundation Europe (FSFE)
untersuchte die Entwicklung einer neuen Version des Europäischen Rahmenprogramms zu Interoperabilität (EIF)
und konnte zeigen, dass die Kommission sich bei ihrer Arbeit auf die Einreichungen der
Business Software Alliance (BSA), einer Lobbygruppe für Hersteller proprietärer Software, stützte
und die Stimmen eines Großteils der europäischen Softwareindustrie ignorierte. Zur gleichen Zeit
deuten Bemerkungen des Vizepräsidenten der Kommission zu Freier Software auf einen besorgniserregenden
Mangel an Interesse innerhalb der Kommission hin.</p>
<p>Ein Entwurf für eine Revision des Europäischen Rahmenprogramms zu Interoperabilität (EIF)
<a href="https://blogs.fsfe.org/gerloff/?p=285">drang am Anfang des Monats zur Presse durch</a>.
Während die frühere Version des Dokuments die Nutzung Freier Software und Offener Standards
im öffentlichen Sektor stark befürwortete, beinhaltet die neue Version lediglich die
bedeutungslose Floskel eines "Offenheitskontinuums", das absurderweise proprietäre
Spezifikationen mit umfasst.</p>
<p>Die FSFE zeichnete nach, <a href="/freesoftware/standards/eifv2.html"><strong>wie sich Kernpunkte des
revidierten Europäischen Rahmenprogramms zu Interoperabilität über einen gewissen Zeitraum hin veränderten
</strong></a>. Eine Version des Dokuments war Grundlage einer öffentlichen Erhebung im Sommer 2008. Die
Analyse der FSFE zeigt detailliert auf, wie von dieser Basis ausgehend die Ansichten der BSA-Lobbygruppe
den heutigen Entwurf des Textes beeinflussten. Zur gleichen Zeit ignoriert die Europäische Kommission weiterhin
Kommentaren von Firmen, Gruppen und Individuen, die sich für Offene Standards und Freie Software aussprechen.</p>
<p>"Die Europäische Kommission darf sich nicht zum Werkzeug einer bestimmten Interessengruppe machen lassen.
Der gegenwärtige Entwurf ist genauso inakzeptabel wie die völlige Intransparenz
des Prozesses, die zu diesem Text führte" so Karsten Gerloff, der Präsident der FSFE.</p>
<p>Auf diesem Hintergrund zeigen kürzliche Bemerkungen von Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Siim Kallas,
der für die Verwaltung zuständig ist, ein besorgniserregendes Desinteresse gegenüber <a href="/freesoftware/standards/standards.html">
Offenen Standards</a> und <a href="/freesoftware/freesoftware.html">Freier Software</a> in Teilen der Kommission.
Auf einer <a href="http://www.se2009.eu/en/meetings_news/2009/11/19/press_conference_the_ministerial_declaration_on_egovernment">hochrangigen Pressekonferenz</a>
(Flash) am 19. November in Malmö, Schweden, äußerte Kallas, dass Freie Software
ein Problem für die "Kontinuität der Geschäftswelt" darstelle. Er setzte Freie Software mit einem
Wikipedia-Artikel gleich und merkte an: "im Wikipedia-Text sehen Sie in Klammern und Fußnoten, dass Information
geprüft oder bestätigt werden sollte [...], und wenn Sie Open Source benutzen, benötigen Sie Sicherheit
darüber, was passieren wird, wenn Sie auf der gleichen Arbeitsweise aufbauen."</p>
<p>Die FSFE zeigt sich sehr besorgt über diese Anmerkungen. "Herr Kallas lästert
über einen ganzen Sektor der Europäischen IT Branche", stellt Gerloff fest.
"Entweder arbeitet Herr Kallas aktiv gegen Freie Software und
Offene Standards, oder er kennt sie überhaupt nicht. Beides lässt sich bei einem
Vizepräsidenten der Europäischen Kommission nicht rechtfertigen, wenn er zudem noch
zuständig für die Verwaltung der Kommission ist."</p>
<p>Elmar Geese, Vorsitzender des Linux-Verbands, einer deutschen Vereinigung von
Freie-Software-Betrieben mit über 80 Mitgliedern, zeigt sich überrascht angesichts
Herrn Kallas' Bemerkungen. "Wir wissen nicht, wer Herrn Kallas dazu rät, solche
Aussagen zu tätigen. Für mich klingt das wie die FUD-Propaganda (Verbreitung von Furcht,
Unsicherheit und Zweifel) vor zehn Jahren. Wir laden Herrn Kallas dazu ein, sich über
die Freie-Software-Industrie zu informieren. Ich bin mir sicher, dass das seine Einstellung
ändern wird."</p>
<p>Jan Wildeboer von Red Hat EMEA weist Kallas' Bemerkungen zurück.
"Im Vergleich zu vielen proprietären Alternativen zeigt Freie Software, dass
sie nicht nur Geld spart, sondern auch Lösungen auf höchstem technischen Niveau bietet.
Die Nutzung Freier Software in unternehmenskritischen Bereichen auf der ganzen Welt beweist
ihre Qualität."</p>
<p>Solche Aussagen seitens der Europäischen Kommission spielen den Kritikern der neuen Version des EIF
in die Hände. Die FSFE betont, dass das ursprüngliche EIF gute Dienste als Richtschnur
für den öffentlichen Sektor in Europa gedient hat. Obwohl es nur eine Empfehlung
darstellt, wurde es zu einer bedeutenden Referenz in Europa und darüber hinaus.
Wen es überarbeitet werden muss, sollte das neue Dokument die Interoperabilität
eher durch die Eigenständigkeit Offener Standards verbessern, als proprietäre
Software und Spezifikationen zu begünstigen. Die Kommission
sollte zur früheren Version des Dokuments zurückkehren und von dort erneut beginnen. Dabei
sollte sie sicherstellen, dass diese Mal Kommentare von allen Seiten die gebührende
Aufmerksamkeit zugeteilt wird.</p>
<p>Wildeboer von Red Hat stimmt in diese Kritik ein: "Es ist gut zu sehen, wie
die EIFv2 nun einer genaueren Prüfung unterzogen wird. Wir brauchen eine starke
Betonung von Interoperabilität, basierend auf Offenen Standards. Die durchgesickerte
Version des Dokuments zeigt, wie ein Mangel an Transparenz dieses Ziel verhindern kann.
Gerade jetzt sollten wir uns einige ernste Fragen stellen. Ich vertraue voll und ganz darauf,
dass die Kommission die Ziele der EIFv1 wieder aufgreifen wird. Offene Standards und
Offene Spezifikationen sind Grundbedingungen für Interoperabilität."</p>
<p>Der Präsident der FSFE, Karsten Gerloff, fordert: "Wenn ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union
die Glaubwürdigkeit der Europäischen Institutionen bewahren will, sollte er die momentane Fassung
des EIF zurückweisen. Stattdessen sollte er der Kommission dabei helfen, einen besseren Entwurf
zu verfassen, der Offene Standards an erste Stelle und ins Zentrum setzt."</p>
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<translator>Andreas Aubele</translator>
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