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<head>
<meta name="author-name-1" content="Georg Greve" />
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<meta name="publication-date" content="2008-12-02" />
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<title>FSFE Analyse des Verhältnisses von Standardisierung und
Patenten</title>
</head>
<body>
<h1>Analyse des Verhältnisses von Standardisierung und
Patenten</h1>
<p class="indent"><em>Dieser Artikel analysiert das Zusammenspiel von
Patenten und Standards und schließt mit konkreten Vorschlägen zu den
dringendsten Problemen. Er ist für Leser mit geringem Hintergrundwissen
verfasst und beinhaltet daher das für das Verständnis der Problematik
nötige Hintergrundwissen. Ein Fachmann sollte in der Lage sein, den
Hintergrundabschnitt zu überspringen.</em></p>
<h2>Einführung</h2>
<p>Softwarepatente haben eine höchst kontroverse Debatte ausgelöst. Die
Fronten verlaufen vor allem zwischen Großunternehmen, die große
Patentbestände halten und an mehreren Kreuzlizenzierungsabkommen
beteiligt sind, und den „Habenichtsen“, wie Firmengründer, kleine und
mittlere Betriebe, und Anwender, vom GNU/Linux benutzenden Studenten bis
hin zu institutionellen Anwendern in der Regierung.</p>
<p>Die Debatte ist mit der Zurückweisung der EU-Richtlinie über
Softwarepatente im Jahr 2005 um einiges ruhiger geworden. Andere Themen
haben sie aus den Schlagzeilen verdrängt, unter anderem die
Standardisierung. Zwar sind Offene Standards schon seit Jahren ein
Schlagwort, aber noch nie wurde dieser Begriff so intensiv diskutiert.</p>
<p>Am Mittwoch, dem 19. November 2008, trafen beide Debatten in Brüssel in
einer Tagung mit dem Titel
<a href="http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/itemshortdetail.cfm?item_id=3371">Geistige
Eigentumsrechte in der IKT-Standardisierung</a>“ zusammen, obwohl „Patente
in der IKT-Standardisierung“ ein passenderer Name gewesen wäre, denn das
Gespräch drehte sich ausschließlich um das Zusammenspiel von Patenten und
der Standardisierung in der IKT (Informations- und
Kommunikationstechnologie).</p>
<p>Patente und Standards stehen grundsätzlich im Konflikt miteinander. Daher
wird von vielen ein Gleichgewicht zwischen Patenten und Standards gefordert.
Dieser Artikel nimmt zu der Tagung Stellung und erklärt, warum Standards
zumindest im Bereich der Software über Patente die Oberhand haben
sollten.</p>
<h2>Hintergrund: Das Einmaleins der Patente und Standards</h2>
<p>Die Idee von Patenten ist nicht neu. Ihre Wurzeln liegen in den
königlichen „litterae patentes“, die bestimmten Personen exklusive Rechte
einräumten. Später wurden die Könige von demokratischen Regierungen
abgelöst und die Patentgesetzgebung hat sich mit der Zeit
weiterentwickelt, aber die grundlegenden Merkmale eines Patents haben sich
nicht verändert.</p>
<p>Kurz und bündig ist ein Patent ein Monopol, das von der Regierung im
Namen ihrer Bürger für eine bestimmte Zeit gewährt wird.</p>
<p>Der Begriff Monopol ist vielfach negativ besetzt und das aus gutem Grund.
Ein Monopol erstickt Innovation und lässt aufgrund der Abwesenheit von
Wettbewerb die Preise steigen. Daher wird ein Monopol gewöhnlich als ein
Schaden für Wirtschaft und Gesellschaft angesehen. Monopole sind nicht
illegal, aber die Gesellschaft hat das legitime Interesse, den Missbrauch
der mit Monopolen einhergehenden Macht zu begrenzen, und versucht, dies
durch das Kartellrecht zu erreichen.</p>
<p>Das durch ein Patent geschaffene Recht auf ein Monopol bringt alle
Nebeneffekte von Monopolen mit sich. Es wird vom Staat gewährt, weil man
der Auffassung ist, ohne Patente könnte die Veröffentlichung von
bahnbrechenden Erfindungen unterbleiben, was als schädlicher eingestuft
wird als die Gewährung eines Patentmonopols.
</p>
<p>Dieses anfängliche Patentmodell basiert auf Offenlegung, so dass andere
davon lernen und neue Ideen darauf aufgebaut werden können. Das Fehlen
einer brauchbaren Offenlegung oder das Ausbleiben der Fortentwicklung des
öffentlichen Wissens ist damit gleichzusetzen, dass ein Monopol ohne
Gegenleistung an die Gesellschaft gewährt wird.</p>
<p>Wie Patente hängen auch Standards eng mit Offenlegung zusammen. Der
Ursprung des Wortes Standard geht wahrscheinlich auf die Heraldik zurück,
wo es sich auf ein Zeichen bezieht, das benutzt wurde, um einen
Sammelpunkt in einer Schlacht sichtbar zu machen.</p>
<p>Der moderne Gebrauch des Wortes behält die Bedeutung eines öffentlich
sichtbaren Bezugspunktes bei, wenngleich sie auf andere Gebiete
übertragen wurde. So wird es unter anderem als etwas verstanden, das sich
<em>durch Autorität, Brauch oder allgemeines Einverständnis als Modell
oder Beispiel durchgesetzt hat</em>“ oder auch als „<em>Konstruktion, die
als Grundlage oder als Hilfsmittel geschaffen wurde oder dazu dient.</em>
(Übersetzung aus dem
<a href="http://www.merriam-webster.com/dictionary/standard">Merriam-Webster
Online-Wörterbuch</a>).</p>
<p>In der Informations- und Kommunikationstechnologie hat ein Standard
beide der oben genannten Bedeutungen. Laut
<a href="http://www.bsi-global.com/en/Standards-and-Publications/About-standards/What-is-a-standard/">British
Standards Institution</a> (BSI) ist ein Standard „<em>ein vereinbartes,
wiederholbares Verfahren etwas zu tun. Er ist ein veröffentlichtes
Dokument, das eine technische Spezifikation oder andere präzise Kriterien
enthält, die entwickelt wurden, um konsistent als Regel, Richtlinie oder
Definition genutzt zu werden. […] Jeder Standard ist ein
Gemeinschaftswerk. Hersteller-Komitees, Anwender,
Forschungsinstitute, Regierungsbehörden und Verbraucher arbeiten
zusammen, um Standards auszuarbeiten, die weiterentwickelt werden, um den
Ansprüchen von Gesellschaft und Technologie gerecht zu werden.
[…]</em></p>
<p>Die zugrunde liegende Idee ist, dass ein Standard eine gemeinsame Basis
schafft; er ist das Mittel für Interoperabilität und Wettbewerb. Das
trifft insbesondere für die IKT wegen ihrer starken Netzwerkeffekte zu.
Wenn alle Teilnehmer eines IKT-Marktes sich an dieselben Standards halten
und sich bemühen, Interoperabilität sicherzustellen, dann können die
Kunden nicht nur zwischen verschiedenen Produkten und Dienstleistungen
frei wählen, sondern auch problemlos Informationen miteinander
austauschen.</p>
<p>Die Abwesenheit oder das Versagen von Standardisierung hingegen verzerrt
die Netzwerkeffekte, so dass eine Monopolisierung beinahe zwangsläufig
eintritt. Nutzer eines Produktes oder einer Dienstleistung könnten dann
nur mit Nutzern desselben Produktes oder derselben Dienstleistung
zusammenarbeiten. Mit der Zeit würde eine Lösung eine so große Nutzerbasis
erlangen, dass andere Nutzer de facto nur die Wahl haben, sich dieser
Gruppe anzuschließen, oder aber nicht in der Lage sind, ohne Einschränkung
mit der Mehrheit der Nutzer zu kommunizieren. Das könnte zum Beispiel
durch die Bündelung von Software mit einer vorherrschenden
Hardware-Plattform geschehen.</p>
<p>Standards sind also hauptsächlich ein Instrument, um Wettbewerb zugunsten
des öffentlichen Wohls zu ermöglichen. Das Ziel von Standards ist an sich
anti-monopolistisch.</p>
<p>Es ist auch pro-innovativ. Da die Abweichung von einem Standard
automatisch gegen ihn verstößt, scheinen Standardisierung und Innovation
gegensätzliche Ziele zu sein, und zu einem gewissen Grad sind sie das
auch. Aber solange alle Änderungen des Standards im Konsens der
Implementierer erfolgen, ist das Ergebnis eine aktualisierte Version des
Standards, die allen zur Verfügung steht. Der zweite Weg sind
Innovationen, die auf dem Standard aufbauen und ihn als Grundlage nutzen,
anstatt Neuerungen innerhalb des Standards einzuführen.</p>
<p>Aufgrund seines umfassenden, von Konsens abhängigen Wesens ist der erste
Weg vergleichsweise langsam. Ein weiteres Problem sind die beträchtlichen
Hürden, an einem Standardisierungsprozess teilzunehmen. Daher sind
Großunternehmen im Vergleich zu kleinen und mittleren Betrieben (englisch
SME, Small and Medium Enterprises) überrepräsentiert.</p>
<p>Der zweite Weg steht jedermann offen, ob Privatperson, SME oder
Großindustrie. Er ist zudem nur durch die Schnelligkeit des Teams
begrenzt, das die Innovation entwickelt. Falls die Innovation nur von
einer Seite entwickelt wurde, dann besteht kurzfristig ein Monopol. Aber
falls die Innovation ausgereift war, wird sie nach einer gewissen Zeit
wahrscheinlich zu einem neuen Standard formalisiert, der die Grundlage
für die nächste darauf aufbauende Innovation bildet.</p>
<p>Während der erste Weg nur langsame und kleine Verbesserungen
ermöglicht, gewährleistet der zweite Weg die volle Mitwirkung der
Mehrheit des Marktes, ist viel besser für bahnbrechende Ideen geeignet
und es ist für die Gesellschaft wohl auch wichtiger, ihn zu schützen.
</p>
<h2>Konflikt: Grundlegend entgegengesetzte Instrumente</h2>
<p>Die grundsätzlich unterschiedlichen Ziele von Patenten und Standards
tauchten in dieser Debatte mehrfach auf, zum Beispiel in der Rede von
Karsten Meinhold, Präsident des ETSI-IPR-Sonderkomitees,
<a href="http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/document.cfm?action=display&amp;doc_id=3635&amp;userservice_id=1&amp;request.id=0">der
sie so zusammenfasste</a>: <em>„Geistige Eigentumsrechte und Standards
dienen verschiedenen Zielen: Geistige Eigentumsrechte sind für den
persönlichen, exklusiven Nutzen bestimmt, Standards sind für den
öffentlichen, gemeinschaftlichen Nutzen gedacht.“</em></p>
<p>Sowohl Patente als auch Standards leiten ihre Berechtigung vom
öffentlichen Interesse ab; jedoch macht die Durchsetzung von einem das
andere funktionslos. Standards versuchen Monopolen entgegenzuwirken,
Patente aber errichten sie. Oder, wie es Tomoko Miyamoto, oberste
Anwältin der Patentrechtsabteilung der World Intellectual Property
Organization (WIPO) in
<a href="http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/document.cfm?action=display&amp;doc_id=3633&amp;userservice_id=1&amp;request.id=0">ihrer
Präsentation</a> sagte: Patentdickicht und „Patentüberfälle“ können aus
bestimmten Formen rechtmäßiger Ausnutzung der von Patenten gewährten
exklusiven Rechte entstehen.</p>
<p>Mit anderen Worten: Die Erteilung dieser exklusiven Rechte ist die
beabsichtigte Funktion des Patentsystems, und Patentdickicht und
„Patentüberfälle“ sind die Folge der rechtmäßigen Ausnutzung dieser
Rechte. Patente auf Standards zu erlauben ist folglich eine absichtliche
Maßnahme, um bestimmten Parteien Monopole auf Standards zu gewähren,
einschließlich des Rechts, die Implementation durch andere zu unterbinden.
</p>
<h2>Vorab-Offenlegung</h2>
<p>Es gibt mehrere Versuche, mit denen die Standardisierungsbewegung über
die Jahre hinweg versucht hat, diese Effekte abzuschwächen. Einer dieser
Mechanismen wird „Vorab-Offenlegung“ genannt. Die an einem Standard
arbeitenden Parteien nutzen diesen Mechanismus, um sich auf
Lizenzbedingungen festzulegen, während der Standard noch in der
Entwurfsphase ist. Falls diese Bedingungen für andere am Standard
arbeitende Parteien nicht akzeptabel sind, dann wird die vom Patent
berührte Technologie nicht in den Standard aufgenommen.</p>
<p>Was akzeptable Bedingungen sind, ist äußerst subjektiv. Ein
Großunternehmen mit einem großen Patentbestand und existierenden
Kreuzlizenzierungsabkommen mit den Haltern der relevanten Patente
könnte das Hinzufügen eines weiteren Patents zum Abkommen als eine
kleinere Unbequemlichkeit ansehen. Dieselbe Situation sieht aus Sicht
eines SMEs, das typischerweise allenfalls einen kleinen Patentbestand
besitzt und eine halsabschneiderische Lizenzierung zu erwarten hat,
wesentlich anders aus.</p>
<p>Da SMEs in der Standardisierung stark unterrepräsentiert sind, wird
die Vorab-Offenlegung wahrscheinlich den Großunternehmen mit großen
Patentbeständen, die auf demselben Gebiet konkurrieren,
befriedigendere Ergebnisse bringen. Die Mehrheit der Marktteilnehmer hat
im Allgemeinen kein Mitspracherecht über die Annehmbarkeit der
Bedingungen.</p>
<p>Ein anderes Problem der Vorab-Offenlegung ist die schwierige
Durchsetzbarkeit, wie Suzanne Michel, stellvertretende Direktorin des
Amts für Richtlinien und Koordination der US-Bundeshandelskommission
(FTC) in
<a href="http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/document.cfm?action=display&amp;doc_id=3631&amp;userservice_id=1&amp;request.id=0">ihrer
Präsentation</a> darlegte. Die FTC hatte herausgefunden, dass
<a href="http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Rambus&amp;oldid=251605519">Rambus
Incorporated</a> den Standardisierungstreffen des
<a href="http://en.wikipedia.org/wiki/JEDEC">Joint Electron Device
Engineering Council</a> (JEDEC) beigetreten war und an ihnen teilgenommen
hatte, um ihre Patentanträge dahingehend zu ändern, dass sie Technologien
abdeckten, die zur Aufnahme in zukünftige Standards zur Diskussion
standen. Nach der Meinung der FTC war dieses Verhalten betrügerisch,
verletzte die Offenlegungsrichtlinien von JEDEC, und gab Rambus illegal
Monopolmacht.</p>
<p>Das
<a href="http://en.wikipedia.org/wiki/United_States_Court_of_Appeals_for_the_District_of_Columbia_Circuit">Berufungsgericht
für den für den District of Columbia</a> stimmte in seiner Entscheidung
vom April 2008 mit der Interpretation des FTC nicht überein. Laut Frau
Michel sagte das Gericht, dass die Umgehung der sogenannten
<a href="http://en.wikipedia.org/wiki/Reasonable_and_Non_Discriminatory_Licensing">vernünftigen
und nicht diskriminierenden Lizenzbedingungen</a>“ (englisch RAND,
Reasonable and Non-Discriminatory) keinen Missbrauch darstellt, und dass
es keinen Beweis dafür gibt, dass JEDEC Technologien vermieden hätte,
falls es gewusst hätte, dass Rambus plante, seine Patente zu nutzen so
weit es das Gesetz zuließ. Das Gericht drückte auch seinen Unwillen aus,
Patente aufgrund vager Offenlegungsrichtlinien nicht mehr durchsetzbar zu
machen.</p>
<p>Sowohl Patente als auch Standards leiten ihre Berechtigung vom
öffentlichen Interesse ab. Durch die Patente, die Rambus im Zusammenhang
mit den zu veröffentlichenden Standards einreichte, fand keine
zusätzliche Offenlegung neuer Technologie statt. Rambus eine Monopolmacht
über durch JEDEC entwickelte Standards zu geben ist dem öffentlichen
Interesse abträglich. So scheint es wahrscheinlich, dass eine
vollständige Beurteilung des öffentlichen Interesses in diesem Fall
ergäbe, dass sich das öffentliche Interesse in der Tat nicht durchgesetzt
hat.</p>
<p>Daher scheint es, dass das FTC mit seiner Beurteilung richtig lag, aber
ebenso das Gericht, da das Errichten von zeitlich begrenzten Monopolen
eben genau das Ziel und die Funktion des Patentrechts ist. Es ist nicht
Rolle der Gerichte, Gesetze außer Kraft zu setzen, und die meisten
Gesetzgeber haben den Konflikt zwischen Patenten und Standards im
Hinblick auf das öffentliche Interesse nicht berücksichtigt.</p>
<p>JEDEC hat in der Zwischenzeit seine Offenlegungsrichtlinien
aktualisiert, was helfen könnte, ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden.
Bedenkt man den Wert, den viele Gerichte dem Patentrecht im Vergleich zur
Standardisierung zumessen, kann nur ein zukünftiger Gerichtsprozess
zeigen, ob das Problem auf eine Weise gelöst wurde, die einer formalen
rechtlichen Prüfung standhält.</p>
<h2>(F)RAND</h2>
<p>Das Gesagte gilt bei allen Standardisierungsgremien, die eine
Vorab-Offenlegung verlangen, was die meisten nicht tun. Stattdessen
scheinen sich die meisten Gremien vollkommen auf eine freiwillige
Offenlegung und die Zusicherung der am Prozess beteiligten Patentinhaber
zu verlassen, in sogenannte RAND- oder FRAND-Bedingungen
einzuwilligen (fair, vernünftig und nicht diskriminierend; englisch
<a href="http://en.wikipedia.org/wiki/Fair,_Reasonable_and_Non_Discriminatory_Licensing">Fair,
Reasonable and Non Discriminatory</a>).</p>
<p>Eine häufige Kritik am (F)RAND-Begriff ist das Fehlen einer Definition,
was vernünftig ist und für wen. Während des Internet Governance Forums
2006 (IGF) in Athen
<a href="http://www.youtube.com/watch?v=CNUdqEqjbOQ">legte
Susy Struble von Sun dar</a>, dass das, was für eine Partei vernünftig
sein mag, nicht für die andere Partei vernünftig sein muss.</p>
<p>Die Lizenzierungspraktiken unterscheiden sich in der Tat und werden durch
verschiedene Faktoren beeinflusst, einschließlich, aber nicht
ausschließlich, der Frage, ob eine Firma am entsprechenden Markt
interessiert ist, und wie aggressiv sie das Erzielen von Einkünften durch
Patente verfolgt.</p>
<p>Zudem können Patente im Zuge einer Geschäftsumstrukturierung oder
-übernahme verkauft oder erworben werden. Ein zukünftiger Patentinhaber
mag andere Bedingungen für vernünftig halten, ebenso ein Patentinhaber,
der nicht am Standardisierungsprozess teilgenommen hat und den
RAND-Bedingungen nie zugestimmt hat.</p>
<p>RAND-Bedingungen laufen üblicherweise auf eine vage Zusicherung der
Lizenzierung auf Anfrage hinaus. Solch eine Zusicherung stellt keine
dauerhafte Lizenz für das Patent dar und ist nicht für den neuen
Patentinhaber gültig. Ein neuer Patentinhaber kann also frei wählen, wie
er das Patent durchsetzt, einschließlich Patentüberfälle auf alle
vorhandenen Implementierungen des Standards.</p>
<p>Wie Frau Miyamoto von der WIPO dargelegt hat, ist ein Patentüberfall
eine rechtmäßige und vorgesehene Anwendung des Patentsystems. Also gibt
es sogar in einer RAND-Ordnung eine beachtliche Unsicherheit, die
ausnahmslos Großunternehmen begünstigt, die sowohl größere finanzielle
Rücklagen haben, als auch größere Rechtsabteilungen und Patentbestände
besitzen.</p>
<p>Diese Unsicherheit ist es, die eine große Frustration unter den SMEs
verursacht hat, was Charles Schulz von Ars Aperta dadurch ausdrückte, dass
er RAND mit „RANDom licensing at the sight of competitors” (willkürliche
Lizenzierung bei Auftauchen eines Mitbewerbers) übersetzte. In
<a href="http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/document.cfm?action=display&amp;doc_id=3639&amp;userservice_id=1&amp;request.id=0">
seiner Präsentation</a> legte Schulz auch dar, dass
(F)RAND-Bedingungen Freie Software diskriminieren würden. Sogar mit
kostenlosen RAND-Bedingungen, den sogenannten RF-on-RAND („Royalty Free on
RAND”), RAND-RF („RAND Royalty Free”) oder RAND-Z („RAND with Zero
royalties”), gibt es dieselben Probleme, da sie keine
Unterlizenzierung erlauben.</p>
<p>Freie Software (<a href="/about/basics/freesoftware">auch Open Source,
FOSS oder FLOSS genannt</a>) basiert auf dem Prinzip, dass jede
natürliche und juristische Person ein Anwender, Entwickler, Händler oder
eine beliebige Kombination daraus sein kann. Nur Lizenzbedingungen, die
dies zulassen, sind für Freie Software akzeptabel, die 2010
<a href="http://www.flossimpact.eu/">voraussichtlich</a> 32% aller
IT-Dienstleistungen und 4% des europäischen BIPs umfassen wird.</p>
<p>In
<a href="http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/document.cfm?action=display&amp;doc_id=3641&amp;userservice_id=1&amp;request.id=0">ihrer
Präsentation</a> betont Amy Marasco, Generaldirektorin der
Standardisierungsstrategie von Microsoft, dass sie Freie Software nicht
als Geschäftsmodell ansieht. Das ist in genau demselben Ausmaß wahr, in
dem proprietäre Software selbst kein Geschäftsmodell ist.
Geschäftsmodelle sind das, was auf Freier Software und/oder proprietärer
Software aufbaut.</p>
<p>Marasco fuhr fort darzulegen, dass all diese Geschäftsmodelle legitim
sind. Und während es starke Gegensätze in der Meinung darüber gebe,
welches Softwaremodell die bessere und nachhaltigere Wahl für Wirtschaft
und Gesellschaft sei, müssten aus der Sicht einer politischen Analyse von
Standards alle Geschäftsmodelle, die auf proprietärer oder Freier
Software oder einer Mischung beider beruhten, als gültig und legitim
erachtet werden.</p>
<p>Wie bereits erwähnt wird erwartet, dass die Freie Software betreffenden
Anteile des europäischen BIPs bis 2010 4% erreichen werden. Alle Seiten
stimmen darin überein, dass alle Geschäftsmodelle legitim sind,
einschließlich solcher, die Freie Software benutzen. Das wirft die Frage
auf, ob es fair, vernünftig und nicht diskriminierend ist, diesen
legitimen Teil der Wirtschaft durch die Wahl von Lizenzbedingungen
für Patente auszuschließen.</p>
<h2>Schaden durch Ausschluss?</h2>
<p>Diese Situation hat eine seltsame Ähnlichkeit mit
<a href="http://en.wikipedia.org/wiki/Counterfeit_drugs">gefälschten
Medikamenten</a>, wo das Argument für die Durchsetzung von Patenten
hauptsächlich mit Überlegungen über die öffentliche Gesundheit
einhergeht. Aber nur wirksame Medikamente, die identisch mit dem
patentierten Produkt sind, würden überhaupt die Patente verletzen.
Gesundheitsrisiken entstehen hauptsächlich, wo Patente nicht verletzt
werden.</p>
<p>Bei den Standards ist die Situation ziemlich ähnlich. Falls
Patente Teil eines Standards sind, dann bietet nur eine Implementierung,
die im Geltungsbereich der Patente liegt, ein wirksames Gegenmittel gegen
die Monopolisierung. Will man Patente umgehen, muss man zwangsläufig den
Standard verletzen und läuft somit dem öffentlichen Interesse zuwider, das
eigentlich die treibende Kraft hinter der Standardisierung ist.</p>
<p>Patente auf Standards haben also das Potential, eine volle
Interoperabilität für legitime Geschäftsfelder in einigen Märkten
unmöglich zu machen. Wie das oben erwähnte BSI
<a href="http://www.bsi-global.com/en/Standards-and-Publications/About-standards/What-is-a-standard/">darlegt</a>:
„Standards werden für freiwilligen Gebrauch konzipiert und erzwingen
keine Regulierung. Allerdings können Gesetze und Verordnungen sich auf
bestimmte Standards beziehen und deren Einhaltung vorschreiben.“</p>
<p>Sobald eine Technologie standardisiert worden ist, werden bestimmte
Entscheidungen nicht mehr aufgrund technologischer Qualitätskriterien
getroffen. Sogar wenn es eine bessere Lösung gäbe, die den zusätzlichen
Vorteil hätte, ein mögliches Patent auf den Standard nicht zu verletzen,
würde ein Implementierer dem schlechteren Standard folgen, um vollen
Marktzugang zu erhalten. Ein solcher Fall stellt den ursprünglichen Zweck
eines Patents auf den Kopf: Die Technologie ist wertvoll, weil sie
patentiert ist; nicht patentiert, weil sie wertvoll ist.</p>
<p>Es gibt auch Fälle, wo Standardisierungsorganisationen, z.&#160;B. die
<a href="http://www.iso.org">Internationale Organisation für
Standardisierung</a> (ISO), eine privilegierte Rolle bei
Beschaffungsentscheidungen von Regierungen besitzen. Aufgrund von
Patenten und ungenügenden (F)RAND-Bedingungen können nicht alle derart
begünstigte Standards von allen legitimen Marktteilnehmern implementiert
werden, die die Möglichkeit haben sollten, an öffentlichen
Ausschreibungen teilzunehmen.</p>
<p>Durch diese speziellen Privilegien für Organisationen wie die ISO, und
dadurch, dass diese Organisationen Bedingungen akzeptieren, die
ungenügend sind, um den Wettbewerb zu garantieren, bedeutet das durch
Patente verliehene Monopolrecht die Existenz eines Oligopols oder sogar
eines Monopols für öffentliche Beschaffungen. Dieser Wettbewerbsausschluss
durch Patente auf Standards ist dem öffentlichen Interesse abträglich, da
er zu höheren Preisen und folglich höheren Steuern führt.</p>
<p>Lösungen für diese Situation müssten sich damit befassen, wie
Regierungen Standards in ihren Beschaffungsprozessen bevorzugen, damit,
wie Patente in Standards gehandhabt werden, mit dem Patentsystem selbst,
oder mit einer Kombination aus all dem.</p>
<h2>Lösungsversuche</h2>
<p>Eine gute Patentrecherche kostet rund 100.000 EUR pro Fall, so Rigo
Wenning, Rechtsbeistand und Kontaktperson des Patentrichtlinien-Teams des
W3C/ERCIM, der über
<a href="http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/document.cfm?action=display&amp;doc_id=3636&amp;userservice_id=1&amp;request.id=0">Standards,
Patente und die Dynamik der Innovation im Web</a>“ referierte. Das W3C
ist in der Tat die einzige „Standards setzende Organisation“ (SSO), die
eine ausreichende Patentrichtlinie für ihre Standards hat, um alle
legitimen Geschäftsmodelle zu umfassen.
</p>
<p>Aus der Sicht der meisten SMEs sind 100.000 EUR für eine
Patentrecherche unerschwinglich. Aber sogar für Großunternehmen sind
diese Kosten, die ja nur einen der Kostenfaktoren darstellen, beachtlich.
Noch mehr Schaden kann durch gerichtliche Verfügungen gegen ein Produkt
oder Schadenersatzklagen angerichtet werden. In seiner
<a href="http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/document.cfm?action=display&amp;doc_id=3646&amp;userservice_id=1&amp;request.id=0">Präsentation
über IBMs „SoftIP“-Konzept</a> stellt Roger Burt, oberster Anwalt von IBM
in Europa, das Problem mit einem Zitat aus einer Stellungnahme der BSA et
al. aus dem Prozess eBay gegen MercExchange vor. Das Zitat fasst das
Problem der Großindustrie ziemlich gut zusammen:</p>
<quote class="indent"><em>„Technische Produkte bestehen typischerweise aus
hunderten oder tausenden von patentierten Komponenten. Deshalb ist es für
technisch tätiges Unternehmen unmöglich, alle Patente und schwebenden
Patentanmeldungen zu recherchieren, die für eine neue Erfindung (ein
neues Produkt) relevant sind, ungeachtet der größten Anstrengungen von
ihrer Seite. Wenn, wie es häufig vorkommt, die Patentklage erst nach der
Veröffentlichung des Produkts oder der Annahme des Industriestandards
eingereicht wird, ist das Umgehen des Patents in der Entwicklung keine
realistische Option mehr. Weil nach einer Patentverletzung automatisch
eine gerichtliche Verfügung erfolgt sogar falls sich die Klage auf
einen unwichtigen Teil des Produkts bezieht ist der Beklagte
gezwungen, eine halsabschneiderische Abfindung zu zahlen, um sein
Geschäft zu retten.“ </em>
</quote>
<p>Ein anderer Versuch, um exorbitante Patentgebühren zu vermeiden, die
sogar für die größten Unternehmen ein Problem darstellen, wurde von Tim
Frain, Direktor für Regulationsangelegenheiten geistigen Eigentums bei
Nokia, in seiner Präsentation über das
<a href="http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/document.cfm?action=display&amp;doc_id=3646&amp;userservice_id=1&amp;request.id=0">Optimale
FRAND-Verfahren</a>“ vorgestellt. Frain plädiert für ein System, das auf
„aufsummierten vernünftigen Bedingungen“ und „Proportionalität“ (ART+P)
beruht.</p>
<p>Die zugrunde liegende Idee ist, dass, wenn jeder Patentinhaber für sich
alleine Patentgebühren festlegt, die er für fair, vernünftig und nicht
diskriminierend hält, sich alle Gebühren zusammen leicht auf über 50
Prozent der Kosten eines Endproduktes aufsummieren können. Daher sollten
sich alle Patentinhaber vorher verpflichten, dass die Summe der
Patentkosten für alle Patente vernünftig sein sollte. Als Beispiel
brachte Frain, dass aus Nokias Sicht die Patentlizenzgebühren auf
Kommunikationstechnologie für Handys unter 10 Prozent pro Gerät bleiben
sollten.</p>
<p>Beide Ansätze sind Versuche, die Monopole, die durch Patente erhalten
werden, zu kontrollieren, und als solche versuchen sie, eine freiwillige
Einwilligung anderer Parteien zu erhalten, die ihnen durch das
Patentsystem eigentlich zustehenden Rechte nicht anzuwenden.</p>
<p>Unglücklicherweise genügen beide nicht dem Kriterium der
Nicht-Diskriminierung von legitimen Geschäftsmodellen. Auch hat der
ART+P-Ansatz den praktischen Nachteil, dass durch Konvergenz mehr als
eine Technologie-Gattung in einem Gerät zusammengefasst wird, so dass die
Gesamtpatentgebühren eines Handys immer noch 50 Prozent erreichen können,
auch wenn die Kosten für GSM und ähnliches auf 10 Prozent begrenzt sind.
Aber auch diese 10 Prozent können für Laptops mit integrierten
UMTS-Modems oder für Embedded Devices beachtlich sein, einem Bereich, in
dem die Gewinnspanne typischerweise weit unter 10 Prozent liegt.</p>
<p>Um es als kontroverse Frage zu formulieren: Ist es fair und
vernünftig, dass ein Patentinhaber mehr an Monopoleinnahmen erhält, als
ein innovatives Unternehmen als Gewinn erzielen kann, wenn es ein neues
Produkt herausbringt und die damit verbundenen Risiken trägt?</p>
<h2>Cui bono?</h2>
<p>Wer also profitiert davon? Wie bereits erklärt sind Patente als
Kompromiss gestaltet. Ihr Nutzen wird oft mit dem einsamen Erfinder
erklärt, der eine geniale Idee hat. Wäre es gerecht, wenn der Erfinder
die Idee veröffentlichte, nur um zusehen zu müssen, wie ein
Großunternehmen es schneller auf den Markt brächte, als er selbst es
könnte, ohne eine finanzielle Entlohnung für den Erfinder? Die meisten
Menschen würden finden, dass dies nicht gerecht ist.</p>
<p>Ohne Patente könnte sich solch ein Erfinder nur entscheiden, sich
entweder in sein Schicksal zu fügen, oder aber die Erfindung so lange wie
möglich geheim zu halten, während er gleichzeitig versucht, sie auf den
Markt zu bringen. Patente gewähren dem Erfinder ein zeitlich
befristetes Monopol als Gegenleistung für die Veröffentlichung, so dass
der Erfinder Investoren finden, ein Unternehmen aufbauen, die
Produktentwicklung abschließen, das Produkt auf den Markt bringen und sich
eines zeitlichen Vorsprungs erfreuen kann, bevor andere normal konkurrieren
können.</p>
<p>Dieser Mechanismus scheint in der Vergangenheit für eine gewisse Zeit
einigermaßen gut funktioniert zu haben. Aber einige Grundparameter haben
sich geändert, als Patente auf eine im Wesentlichen unreflektierte
Weise auf andere Bereiche ausgeweitet wurden. Das trifft insbesondere auf
Software zu, wo Patente keine bedeutende Rolle bei der Offenlegung
spielen und der Nutzen des Patentmodells für die Gesellschaft aufgehoben
ist, während die Zeit, die benötigt wird, um eine neue Innovation auf den
Markt zu bringen, und die Zeit zwischen bahnbrechenden Entdeckungen
kürzer geworden ist.</p>
<p><a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Raymond_Kurzweil">Raymond
Kurzweil</a> hat ein exponentielles Muster in den Innovationen gefunden,
das bis zu den einzelligen Organismen zurückreicht. Schlussfolgernd, dass
dies ein universelles Prinzip sein muss, hat Kurzweil
<a href="http://en.wikipedia.org/wiki/Predictions_made_by_Raymond_Kurzweil">Vorhersagen</a>
gemacht, von denen sich bisher einige als im Großen und Ganzen zutreffend
erwiesen haben. Wenn man dieses Prinzip auf Patente anwendet, folgt aus
der konstanten Dauer der Monopolgarantie ein exponentielles Wachstum des
Wertes eines einzelnen Patentes.</p>
<p>Der Preis, den die Gesellschaft für die Gewährung von Patenten zahlt,
ist seit der Zeit, als das erste Patent vergeben wurde, exponentiell
angestiegen. Das würde erklären, warum der Preis des Patentsystems
zunehmend unerschwinglich scheint und Rufe nach Reformen lauter werden,
was kürzlich zur Bekanntmachung der
<a href="http://www.ftc.gov/opa/2008/11/ipmarketplace.shtm">Ersten
Anhörung zur Entwicklung eines Marktes für geistiges Eigentum</a>“ der
FTC geführt hat.
</p>
<p>Eine mögliche Lösung für dieses Problem könnte sein, die Laufzeit von
Patenten zu verkürzen, sie an bestimmte Situationen anzupassen, und
Bereiche von der Patentierung ausschließen, in denen Patente keine
nennenswerte Offenlegung bewirken.</p>
<p>Es war An Baisheng, stellvertretender Direktor der Abteilung für
WTO-Belange der Abteilung für technische Regulierung des Chinesischen
Handelsministeriums, der im Bezug auf Standards zuerst die Frage von
öffentlichem vs. privatem Nutzen aufwarf. Seine Präsentation hatte den
Titel
<a href="http://ec.europa.eu/enterprise/newsroom/cf/document.cfm?action=display&amp;doc_id=3632&amp;userservice_id=1&amp;request.id=0">Das
Finden der richtigen Balance zwischen öffentlichen und privaten
Interessen bei geistigem Eigentum in der IKT-Standardisierung</a>“.</p>
<p>Wenn wir unser Szenario des „einsamen Erfinders“ betrachten, müssen wir
uns im Bezug auf Patente auf Standards die Frage stellen: Wäre es
gerecht, wenn unser Erfinder jemand anderen daran hindern könnte, eine
eigene Erfindung auf den Markt zu bringen, die irgendwie mit der
anfänglichen Erfindung interagiert? Um es konkreter zu machen: Sollte ein
Patent auf eine Schreibmaschine sich auf Durchschlagpapier ausweiten, das
die richtige Größe hat, um in der Schreibmaschine verwendet zu werden?
Die meisten Menschen würde darin übereinstimmen, dass dies zu weit gehen
würde.</p>
<h2>Mögliche Lösungen</h2>
<h3>1. Interoperabilität steht über Patenten</h3>
<p>In der Debatte um Softwarepatente in der EU gab es einen Konsens
zwischen SMEs, Vertretern Freier Software und Repräsentanten von
Großunternehmen wie IBM oder Sun, dass Patente nicht verwendbar sein
sollten, um Interoperabilität zu beschränken oder zu verhindern.</p>
<p>In der EU könnte dies in die laufende Debatte über
Gemeinschaftspatente einfließen. Auf einer weltweiten Ebene sollte es die
WIPO im Rahmen der laufenden Diskussionen über ihre Entwicklungsagenda
berücksichtigen.</p>
<p>Einmal eingeführt würde dies die schädlichsten Nebeneffekte für alle
legitimen Geschäftsmodelle beseitigen und die Interoperabilität und die
Erhaltung des Wettbewerbs höher stellen als Monopolrechte. Wenn man die
in diesem Markt existierenden außergewöhnlichen Netzwerkeffekte
bedenkt, scheint eine solche Bevorzugung gerechtfertigt.</p>
<h3>2. Die Richtlinien der Standardisierungsorganisationen aktualisieren</h3>
<p>Zweitens könnten Standardisierungsorganisationen ihre Patentrichtlinien
aktualisieren, um sicherzustellen, dass ihre Standards in allen
Geschäftsmodellen verwendet werden können. Viele Vertreter von
Standardisierungsorganisationen behaupteten in der Tagung,
dass es nicht ihre Aufgabe sei, bestimmte Patentrichtlinien zu
verteidigen. Zugleich steht in der
<a href="http://www.itu.int/ITU-T/dbase/patent/patent-policy.html">gemeinsamen
Patentrichtlinie</a> von ITU-T, ITU-R, ISO und IEC das Prinzip, dass
<em>ein Patent, das ganz oder teilweise in einer Empfehlung enthalten
ist, jedermann ohne unangemessenen Einschränkungen verfügbar sein
muss.</em>“ Wie diese Analyse zeigt, folgt die gegenwärtige Anwendung von
RAND diesem Grundsatz nicht.</p>
<p>Einen weiteres Vorbild existiert darin, dass Standardisierungsorganisatinen
normalerweise fordern, dass alle Teilnehmer eines Standardisierungsprozesses
ihr Copyright an die Standardisierungsorganisation übertragen, um sich gegen
spätere Klagen von Inhabern der Copyrights zu schützen. Es scheint aus dem
gleichen Grund gerechtfertigt, ähnliche Maßnahmen bei Patenten zu
ergreifen.</p>
<h3>3. Kurzfristige Lösungen und Migrationswege anbieten</h3>
<p>Viele durch Patente belastete Standards existieren schon, und sogar wenn
die WIPO einem generellen Vorrang der Interoperabilität zustimmt, wird
es Jahrzehnte dauern, bis dies in nationales Recht umgesetzt wird.</p>
<p>Als kurzfristige Lösung müsste (F)RAND so durchgesetzt werden, dass die
Lizenzbedingungen gültige Geschäftsmodelle nicht diskriminieren, wie es
heute immer noch üblich ist. Eine mögliche Lösung könnte die
(F)RAND-Gebühren an die Einnahmen koppeln, die die Lizenznehmer
ihrerseits durch Lizenzen erzielen.</p>
<p>Geschäftsmodelle, die auf proprietärer Lizenzierung, basierend auf
Urheberrechten oder Patenten, beruhen, würden weiterhin wie heute
funktionieren. Geschäftsmodelle, die nicht auf solchen Lizenzgebühren
beruhen, würden die Möglichkeit zur Interoperabilität und Teilnahme am
Wettbewerb erhalten.</p>
<p>Dieser Schritt würde auch ITU-T, ITU-R, ISO und IEC wieder ermöglichen,
sich an ihrer erklärten gemeinsamen Patentrichtlinie zu orientieren.</p>
<h3>4. Staatliche Beschaffungsrichtlinien aktualisieren</h3>
<p>Staaten und überstaatliche Organisationen sollten ihre
Beschaffungsrichtlinien aktualisieren, um nur Produkte zu beschaffen, die
auf Standards basieren, die kein legitimes Geschäftsmodell diskriminieren.
Das bedeutet, die pauschale Anerkennung einiger
Standardisierungsorganisationen neu zu überdenken und Standards von
Organisationen, deren Patentrichtlinien nicht dieser Anforderungen
entsprechen, nur noch eingeschränkt zu akzeptieren.</p>
<hr />
<p><em>HINWEIS: Dieser Artikel wurde aus der Sicht eines
Software-Fachmanns verfasst. Die Schlüsse könnten in
ihrer Gesamtheit, teilweise oder überhaupt nicht auf Bereiche
außerhalb der Software zutreffen.
</em></p>
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<translator>Martin Roppelt</translator>
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