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<html newsdate="2013-07-03">
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<title>Bundestagswahl: Positionen der Parteien zu Freier Software</title>
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<h1>Bundestagswahl: Positionen der Parteien zu Freier Software</h1>
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<p>Die Free Software Foundation Europe veröffentlicht
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heute ihre Freie-Software-Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl am 22.
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September 2013. Alle darin aufgeführten Parteien bezogen Stellung zu den
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Fragen ob öffentlich finanzierte Software als Freie Software bereitgestellt
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werden muss, zur ElsterFormular Software, Kontrolle von Mobilen Geräten,
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Secure Boot, gebührenfreier Lizenzierung von Standards, Werbung für unfreie
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Software auf Webseiten der öffentlichen Verwaltung und Softwarepatenten.
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Erfreulicherweise haben die Parteien ihr Wissen seit der letzten
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Bundestagswahl bezüglich Freier Software klar verbessert. </p>
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<p>Im Folgenden findet sich eine Zusammenfassung und Bewertung der
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<strong><a href="/activities/elections/askyourcandidates/201309-germany-bundestagswahl.html">vollständigen
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Antworten</a></strong> durch die FSFE. Des Weiteren ermutigt die FSFE
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Freie-Software-Aktivisten, diese Fragen und Antworten als Inspiration für
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eigene Fragen an weitere Kandidaten auf Bundes- wie auch auf Landesebene zu
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nehmen.</p>
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<p>Erfreulich zunächst: SPD, Grüne, Piraten, Linke und die Freien Wähler
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wollen, dass von öffentlicher Hand beauftragte und finanzierte Software als
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Freie Software veröffentlicht wird. Die SPD schreibt „von der öffentlichen
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Hand finanzierte Software soll, soweit es geht, als Freie Software auch
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wieder der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.“ Die Grünen fordern die
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Veröffentlichung als Freie Software bereits in ihrem Wahlprogramm (siehe <a href="https://wiki.fsfe.org/Activities/WahlUndParteiprogrammeDeutschland">FSFEs
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Übersichtsseite zu Wahl- und Parteiprogrammen in Deutschland</a>) und
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begründen in ihrer Antwort die Forderung nach Veröffentlichung mit
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Vorteilen „wie größere und nachhaltigere Innovationspotentiale,
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Verbreiterung der Kompetenz im Umgang mit Software, aber auch
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sicherheitsrelevante Vorteile.“ Weiterhin kritisieren sie den Rückschritt
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weg von Freier Software im Auswärtigen Amt. Die Piraten und die Linke
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befürworten beide die generelle Veröffentlichung aller öffentlich
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finanzierten Inhalte. Die FDP geht nicht direkt auf die Frage ein sondern
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fordert generell „sowohl proprietäre, als auch Freie Software“ bei
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Ausschreibungen zu berücksichtigen.</p>
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<p>Dagegen sieht die CDU „haushaltsrechtliche Hürden“ für die
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Veröffentlichung und Weiterentwicklung Freier Software durch die
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öffentliche Verwaltung. Dazu verweist sie auf einen Absatz der
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Bundeshaushaltsordnung (BHO § 63 Abs. 2). Die Bundesregierung schreibt
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jedoch im rechtlichen Begleitdokuments zum <a href="http://www.cio.bund.de/DE/Architekturen-und-Standards/Migrationsleitfaden-und-Migrationshilfen/migrationsleitfaden_node.html">Migrationsleitfaden</a>:
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Dieser Absatz „stellt also keine Begrenzung für die Weitergabe von Software
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dar“ (S. 41) und „[i]m praktisch wichtigsten Fall, der Fortentwicklung von
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GPL-Software, darf die Behörde die eigenen Entwicklungsanteile ohne
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Erhebung von Lizenzgebühren an Private weitergeben“ (S. 43). Dagegen sieht
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der Migrationsleitfaden das Problem der kostenlosen Weitergabe an Private
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bei vollständiger Neuentwicklungen sowie bei Fortentwicklungen von
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Non-Copyleft-Programmen. Unverständlich ist, warum die Union die BHO in 8
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Jahren Regierungsbeteiligung nicht geändert hat, wenn sie dieses als
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Problem sieht. Des Weiteren soll laut CDU/CSU in jedem Einzelfall geprüft
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werden, ob die Software „mit naheliegenden Veränderungen so abgewandelt
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werden kann, dass sie zu gesetzlich verbotenen Zwecken eingesetzt werden
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kann", und wenn dies zutrifft, soll diese nicht veröffentlicht werden.</p>
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<p>Die <a href="https://blogs.fsfe.org/mk/?p=1031">Zurückhaltung der
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ElsterFormular-Software</a> stößt bei den Parteien auf Unverständnis,
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Bedauern und Kritik. Die FDP macht auf die Plattformunabhängigkeit von der
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geplanten Version von Elsteronline aufmerksam, die auf Java verzichten soll. Sie bedauert
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jedoch, dass das ElsterFormular nicht plattformunabhängig zugänglich ist.
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Die Freien Wähler empfinden die gegebene Plattformabhängigkeit im Hinblick
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auf die Systemsicherheit unverständlich. Für die SPD ist die Bindung an
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einen Betriebssystemhersteller inakzeptabel, und sie will sich dafür
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einsetzen, „entsprechende Software auch für alternative Betriebssysteme
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bereitzustellen.“ Die Grünen wollen sich dafür einsetzen, dass auch
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Nutzerinnen und Nutzer freier Betriebssysteme das ElsterFormular nutzen
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können. Deutliche Kritik kommt von den Linken: „Die Bereitstellung des
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Elster-Formulars lediglich für Microsoft Windows und das Zurückhalten von
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GNU-Linux- und Mac OS X-Versionen durch das für die Entwicklung von Elster
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federführende Bayerische Landesamt für Steuern aus vermeintlich
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wirtschaftlichen Erwägungen ist inakzeptabel.“ Die Piraten sprechen sich
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außerdem für eine Veröffentlichung der Software und Dokumentation unter
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einer Freien Lizenz aus, auch wenn diese qualitativ schlecht wäre, um zumindest
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anderen die Möglichkeit einzuräumen, die Software weiterzuentwicklen.</p>
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<p>Alle Parteien sind sich einig: Öffentliche Einrichtungen sollten sich
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bei der Beauftragung von Softwareentwicklungen sämtliche
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Nutzungsrechte (Zugriff auf den Quellcode, das Recht, die Software selbst
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oder durch Dritte weitzuentwickeln, das Recht die Software an andere
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weiterzugeben) einräumen lassen. Dazu die FDP: „Das macht unabhängig vom
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Hersteller und bietet Planungssicherheit und Freiheit bei der
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Dienstleisterwahl.“ Die SPD und die Grünen begründen ihre Forderungen vor
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allem aus Sicht der IT-Sicherheit. Laut der Linken soll der Staat „seine
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Verfügungshoheit sicherstellen und im Sinne der Allgemeinheit nutzen“. Die
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CDU will „einen besonderen Wert darauf legen, dass zukünftig
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Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Software von Beginn an berücksichtigt
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werden.“ Piraten und Grüne verweisen darauf, dass staatliche Nutzungsrechte
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Bedingung sind, um - wie von beiden Parteien gefordert - Software der
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öffentlichen Verwaltung unter Freien Lizenzen zu veröffentlichen. Weiterhin
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wollen die Freien Wähler über eine Bestrafung für Beamte und Angestellte
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nachdenken, die für den Staat Verträge ohne diesen Nutzungsrechte
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unterschreiben.</p>
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<p>Zur Kontrolle mobiler Geräte befragt, gehen die Parteien primär auf
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Datenschutzaspekte ein. Die SPD sieht „insbesondere das Recht auf
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informationelle Selbstbestimmung vor besonderen Herausforderungen.“ Grüne,
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Linke, Piraten und SPD fordern datenschutzfreundliche Technik als
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Grundeinstellung („Datenschutz durch Technik“), wohingegen CDU/CSU, FDP und
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Freie Wähler auf eine bessere Aufklärung der Bürger abzielen. Zu der Frage
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welche Rechte die Anwender über die Software auf diesen Geräten haben
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sollten – eine Frage, die von der FSFE z.B. mit ihrer <a href="/activities/android/android.html">FreeYourAndroid.org-Kampagne</a>
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aufgeworfen wird – treffen die Parteien jedoch keine Aussagen.</p>
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<p>Beim Thema <a href="/freesoftware/secure-boot.html">"Secure
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Boot"</a> sind sich zunächst alle Parteien einig: das <a href="/news/2012/news-20121120-01.html">Eckpunktepapier der
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Bundesregierung</a> enthält wichtige Forderungen, die sie unterstützen
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und umsetzen wollen. „Mit der Implementierung von Secure Boot werden die
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Eigentümer von IT-Geräten in der Möglichkeit beschränkt, unabhängig und
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vollständig die Kontrolle über Inhalte und Anwendungen auszuüben", so die
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Linke zur Problembeschreibung. Die FDP will „sicherstellen dass Nutzer eine
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informierte Entscheidung über ihre Geräte treffen können“ und die CDU
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möchte die Arbeit zu dem Thema auf nationaler und internationaler Ebene
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weiter verfolgen. In ihrer ausführlichen Antwort schreiben die Piraten:
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„Systeme, die den Nutzer daran hindern, bestimmte Software zu installieren,
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sind wirtschaftspolitisch nicht akzeptabel. Dies führt zwangsläufig zur
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Förderung von Oligopolen oder Monopolen im Softwaremarkt. Wichtiger noch
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ist aber die gesellschaftspolitische Bedeutung der Kontrolle über
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IT-Systeme [....]“ Die Grünen bezweifeln, wie die Bundesregierung „mit der
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großflächigen Bindung an Microsoftdienste“ das Eckpunktepapier umsetzen
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will und die SPD fordert eine „Initiative auf europäischer Ebene [...],
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damit diese Vorgaben nicht nur eine politische Willenserklärung bleiben,
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sondern tatsächlich eingehalten werden."</p>
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<p>Bis auf die CDU und die Freien Wähler befürworten alle Parteien explizit
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die gebührenfreie Lizenzierung von Standards. Die Grünen verweisen auf ihre
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Forderung aus der <a href="http://www.bundestag.de/internetenquete/">Enquete Kommission
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„Internet und Digitale Gesellschaft“ (EIDG)</a>, bei der sie die
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öffentliche Verwaltung zur Förderung der Interoperabilität und
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Zukunftsfähigkeit ihrer IT-Systeme konsequent auf den Einsatz offener
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Standards verpflichtet will, „um bei der Weiterentwicklung der Systeme
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nicht von den Interessen einzelner Marktteilnehmer abhängig zu sein.“
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Kritik an SAGA kommt von den Linken und den Piraten. Die Linken sehen in
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restriktions- und lizenzkostenfreien Spezifikationen keinen Automatismus
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zur vermehrten Implementierung in Freier Software. „Hierzu sind der aktive
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politische Wille und ein initiatives Handeln der Bundesregierung
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erforderlich“ so die Linken. Die Piraten kritisieren, dass ODF in SAGA nur
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ein empfohlenes Format sei, was dazu führe, „dass in der Verwaltungspraxis
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immer noch unfreie Software und nicht-offene Formate eingesetzt werden
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können.“ SAGA verkomme so zu einem „Papiertiger“.</p>
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<p>Bedauerlicherweise sieht die CDU kein Problem mit <a href="/activities/pdfreaders/pdfreaders.html">Werbung auf Webseiten der
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öffentlichen Verwaltung</a> für unfreie Software, solange diese der
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Benutzerfreundlichkeit dienen. Die anderen Parteien lehnen diese Art der
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Werbung klar ab und wollen diese in der Zukunft unterbinden. Die Grünen
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verweisen in ihrer Antwort auf ihre Anfrage „Werbung für proprietäre
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Software auf Seiten von Bundesministerien und der öffentlichen Verwaltung“
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(Drucksache 17/8951) in der sie dieses Thema aufgegriffen hatten und auf
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die darauf folgende Besprechung des Themas im IT-Planungsrats. Die Freien
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Wähler bieten ihre Mithilfe für Lösungen im Kommunalbereich an.</p>
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<p>Die jahrelange Arbeit gegen Softwarepatente zeigt Wirkung: Inzwischen
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sind sich alle Parteien auf Bundesebene beim Thema Softwarepatente einig,
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dass die Patentierung von Software effektiv begrenzt werden soll. Dazu
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verweisen sie auch auf den <a href="/news/2013/news-20130612-01.html">
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interfraktionellen Antrag „Wettbewerb und Innovationsdynamik im
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Softwarebereich sichern – Patentierung von Computerprogrammen effektiv
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begrenzen"</a>.</p>
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<p>Allgemein ist die CDU/CSU dafür, „Serious Games“ (Lernspiele, deren
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primäres Ziel es ist, Wissen auf unterhaltsame Weise zu vermitteln) in
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Schulen und Universitäten einzusetzen, und überlegt, diese unter freie
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Lizenzen zu stellen. Auch die FDP hat Vorhaben im Bildungsbereich: Sie
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wollen mehr Kinder an das Programmieren heranführen und bei der
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„Anschaffung von neuen Lernmitteln darauf [achten], dass diese
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plattformunabhängig eingesetzt werden können.“ Die Freien Wähler wollen
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Freie Software im kommunalen Bereich fördern. Die Grünen wollen vor allem
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eine konsequente Ausschreibepraxis für von öffentlichen Geldern finanzierte
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Software, kritisieren weiterhin Rückschritte wie z.B. im <a href="/news/2011/news-20110511-01.html">Auswärtigen Amt</a> und wollen
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durch Veröffentlichung eigener Software („betatext“) mit gutem Beispiel
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vorrangehen. Die Linke sieht Freie Software im Kontext der
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Gemeingüterwirtschaft und denkt z.B. daran, diese mit einem Teil der
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Rundfunkbeiträge zu fördern. Die SPD will primär Freie Software in der
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Verwaltung fördern und, wie bereits bei den Sondervoten in der EIDG
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gefordert, „Fördermittel für Usability-Analysen und die Verbesserung der
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||
Benutzerfreundlichkeit bei ausgewählten Projekten bereit [...]
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||
stellen."</p>
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<ul>
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<li><a href="/activities/elections/askyourcandidates/askyourcandidates.html"> Andere
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Wahlbefragungen</a> der Free Software Foundation Europe sowie <a href="/activities/elections/askyourcandidates/200909-germany-bundestagswahl.html"> Veröffentlichungen zur letzten
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||
Bundestagswahl</a>.</li>
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<li>Erwähnung von Freier Software in <a href="https://wiki.fsfe.org/Activities/WahlUndParteiprogrammeDeutschland">Wahl-
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||
und Parteiprogrammen in Deutschland</a>.</li>
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</ul>
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