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<?xml version="1.0" encoding="UTF-8"?> |
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<html> |
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<version>0</version> |
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<author id="gerloff"/> |
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<author id="piana"/> |
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<author id="tuke"/> |
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<date> |
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<original content="2010-10-15"/> |
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</date> |
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<download type="PDF" content="/freesoftware/standards/bsa-eif-letter-fsfe-response.pdf"/> |
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<head> |
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<title>EIF-BSA-Brief</title> |
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</head> |
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<body> |
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<h1>Offene Standards verteidigen: Die FSFE widerlegt die falschen |
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Behauptungen der BSA gegenüber der Europäische Kommission</h1> |
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<p id="introduction">Die Business Software Alliance (BSA) übt Druck auf |
|
die Europäische Kommission aus, um aus der aktuellen Version der |
|
Interoperabilitätsempfehlungen der EU, dem European Interoperability |
|
Framework (EIF), auch die letzten Überbleibsel einer Unterstützung für |
|
Offene Standards zu entfernen. |
|
<br /><br /> |
|
Die FSFE ist in den Besitz der Kopie |
|
<a href="/freesoftware/standards/bsa-letter-ec.pdf">eines Briefs</a> gekommen, den |
|
die BSA letzte Woche an die Kommission geschickt hat. Im Folgenden |
|
analysieren wir die Argumente der BSA und erklären, warum ihre |
|
Behauptungen falsch sind, und warum Offene Standards ein wesentliches |
|
Element für Interoperabilität und Wettbewerb im europäischen |
|
Software-Markt sind. Wir haben die Europäische Kommission über diese |
|
Analyse <a href="/freesoftware/standards/bsa-eif-letter-fsfe-response.pdf">in |
|
Kenntnis gesetzt</a>.</p> |
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<ol> |
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<li><a href="#1">Gebührenfreie Patentlizenzierung eröffnet |
|
Möglichkeiten zur Marktteilnahme und fördert Innovation</a></li> |
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<li><a href="#2">Die von der BSA als Beispiele angeführten Standards |
|
sind im Software-Bereich irrelevant</a></li> |
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<li><a href="#3">(F)RAND-Lizenzierung in Software-Standards ist |
|
unfair und diskriminierend</a></li> |
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<li><a href="#4">Die BSA repräsentiert nicht einmal ihre eigenen |
|
Mitglieder, geschweige denn die Software-Industrie als Ganzes</a></li> |
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<li><a href="#5">(F)RAND ist inkompatibel mit den meisten |
|
Freie-Software-Lizenzen</a></li> |
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<li><a href="#6">Eine Bevorzugung Offener Standards steht in |
|
keinerlei Zusammenhang mit der Verhandlungsposition der EU gegenüber |
|
China</a></li> |
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<li><a href="#7">Spezifikationen ohne Beschränkungen werden |
|
Standardisierung, Wettbewerb und Interoperabilität fördern</a></li> |
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<li><a href="#8">Empfehlungen</a></li> |
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</ol> |
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<h2 id="1">Gebührenfreie Patentlizenzierung eröffnet Möglichkeiten zur |
|
Marktteilnahme und fördert Innovation</h2> |
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<p>In ihrem Brief argumentiert die BSA, dass „wenn die EU eine |
|
Bevorzugung gebühren-/patentfreier Spezifikationen beschließt, die |
|
Anreize für Firmen untergraben werden, Spitzen-Innovationen in die |
|
Standardisierung einzubringen, was in weniger innovativen europäischen |
|
Spezifikationen und weniger wettbewerbsfähigen europäischen Produkten |
|
resultiert.“</p> |
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|
<p>In Wirklichkeit stellt dies ein grobes Missverständnis von Standards, |
|
ihrer Rolle und ihrer Funktionsweise dar.</p> |
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<ol> |
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<li>Gebührenfreie Lizenzbedingungen verhindern nicht, dass patentierte |
|
Technologien in Standards aufgenommen werden. Der Beitragende ist |
|
nur angehalten, keine Lizenzgebühren für Implementierungen zu |
|
erheben.</li> |
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<li>Die auf einzigartige Weise erfolgreichste |
|
Technologie-Plattform der Welt, das |
|
Internet, baut auf Standards auf, die vollständig unter gebührenfreien |
|
Lizenzbedingungen verfügbar gemacht wurden. In der Tat hat das W3C, |
|
die für Web-Standards zuständige Standardisierungsorganisation (SSO), |
|
im Konsens eine gebührenfreie „Geistiges-Eigentum-Richtlinie“ |
|
beschlossen, nach der gebührenpflichtige Technologien nur in seltenen |
|
Ausnahmefällen verwendet werden dürfen. Anstatt Innovationen zu |
|
behindern, wie von der BSA behauptet, hat dies das Internet zu einer |
|
Hochburg der Innovation gemacht. Tatsächlich ist es gerade das |
|
Wesen von Standards, dass sie eine Plattform stabilisieren, auf deren |
|
Grundlage Marktteilnehmer innovative oder interoperable Lösungen |
|
entwickeln können<a class="fn" href="#refs">1</a>.</li> |
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<li>Im Widerspruch zur Behauptung der BSA eröffnen gebührenfreie |
|
Patentlizenzierungsrichtlinien der größtmöglichen Anzahl von |
|
Marktteilnehmern und Implementierern die Möglichkeit, am |
|
Standardisierungsprozess für Software teilzunehmen. Im Ergebnis sind |
|
Software-Standards, die von Standardisierungsorganisationen mit |
|
gebührenfreien Patentlizenzierungsrichtlinien, wie dem W3C, |
|
beschlossen werden, weit verbreitet, dabei ist der HTML-Standard nur |
|
das bekannteste Beispiel.</li> |
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</ol> |
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|
<p>Aus einer umfassenderen Sicht hinsichtlich Richtlinien ist es auch |
|
fragwürdig, dass Innovatoren, die bereits einen Anreiz durch ein |
|
Patent haben, einen weiteren Anreiz bräuchten, indem das Patent in |
|
einen Standard aufgenommen wird. Ein Patent bedeutet nicht das Recht |
|
auf eine garantierte Einkommensquelle.</p> |
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<h2 id="2">Die von der BSA als Beispiele angeführten Standards sind im |
|
Software-Bereich irrelevant</h2> |
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<p>Die BSA argumentiert, dass „viele der heute am weitesten |
|
verbreiteten offenen Spezifikationen patentierte Innovationen |
|
beinhalten, die von kommerziellen Firmen entwickelt wurden … darunter |
|
WiFi, GSM und MPEG.“</p> |
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<p>Damit wird unterstellt, es gebe einen zwingenden Zusammenhang zwischen |
|
„kommerziell“ und „patentiert“. Kommerzielle Unternehmen würden die von |
|
ihnen entwickelten Technologien grundsätzlich patentieren, während |
|
nicht-patentierte Erfindungen nur im nicht-kommerziellen Bereich zu |
|
finden seien. |
|
In Wirklichkeit stellt ein Großteil |
|
der nicht patentierten modernen Technologie, die ihren Ursprung in |
|
kommerziellen Unternehmen hat, weltweit eingesetzte Standards dar (wie |
|
z. B. HTML5), die auch weiterhin ihre Entwickler mit Einkommen |
|
versorgen. Es gibt keine derartige Trennlinie, weder ökonomisch noch |
|
ideologisch, zwischen Hardware- und Software-Technologien, die patentiert |
|
sind, und denen, die es nicht sind. Trotzdem legt die BSA |
|
nahe, dass es einen Unterschied zwischen konventionellen |
|
und akzeptierten Geschäftsmethoden, die sie mit Patenten in Verbindung |
|
bringen, und nicht-geschäftsmäßigen, nicht-kommerziellen Organisationen, |
|
die sie mit patentfreier Technologie in Verbindung bringen, gebe. Im |
|
Hinblick auf die zunehmende Verbreitung von Freier Software im |
|
europäischen IT-Dienstleistungsmarkt ist solch eine Behauptung schlicht |
|
und einfach falsch.</p> |
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|
<p>Die von der BSA als Beispiele aufgeführten Standards beziehen sich (mit |
|
Ausnahme von MPEG<a class="fn" href="#refs">2</a>) auf hardwarebasierte |
|
Technologien. Die Ökonomie des Hardware-Markts unterscheidet sich |
|
wesentlich von der des Software-Markts. Während der Eintritt in den |
|
Hardware-Markt beträchtliche Investitionen voraussetzt, kann ein |
|
Software-Unternehmen mit einem sehr kleinen Startkapital gegründet |
|
werden. Von solch einem Software-Startup-Unternehmen zu verlangen, |
|
Gebühren für die Implementierung von Software-Standards zu bezahlen, |
|
würde die Markteintrittsbarriere signifikant erhöhen, Innovationen |
|
verringern und den Wettbewerb behindern, und daneben auch die Preise für |
|
Konsumenten (einschließlich Organisationen des öffentlichen Sektors) |
|
erhöhen.</p> |
|
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<p>Für Software ist es eindeutig, dass die Akzeptanz der Aufnahme |
|
von Patenten in Standards unter (F)RAND-Bedingungen die |
|
Eintrittsbarriere in den europäischen Software-Markt auf unangemessene |
|
und unnötige Art erhöht, und dadurch die europäische IKT-Wirtschaft |
|
weniger wettbewerbsfähig macht.</p> |
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<h2 id="3">(F)RAND-Lizenzierung in Software-Standards ist unfair und |
|
diskriminierend</h2> |
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<p>Die BSA argumentiert, dass „die Bedingungen, dass eine offene |
|
Spezifikation ‚frei implementierbar‘ sein muss, sowie frei |
|
verbreitet und wiederverwenden werden kann, mehrdeutig sind, |
|
und darauf hindeuten, dass der Standard frei von geistigen |
|
Eigentumsrechten sein muss.“</p> |
|
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|
<p>Weiter argumentiert die BSA, dass FRAND sicherstellt, dass diese |
|
Innovationen unter fairen Bedingungen benutzt werden können, um den |
|
Standard zu implementieren. |
|
Dadurch wird es Erfindern erlaubt, eine |
|
angemessene Gebühr zu erheben, wenn ihre Technologien in Spezifikationen |
|
verwendet werden.“ In Software-Standards sind (F)RAND-Bedingungen aber |
|
diskriminierend gegenüber Freier Software und allen darauf basierenden |
|
Geschäftsmodellen. Die am häufigsten verwendeten Freie-Software-Lizenzen |
|
erlauben nicht, dass den Benutzern der Software zusätzliche Bedingungen |
|
auferlegt werden. Doch (F)RAND würde verlangen, dass solche Bedingungen |
|
gestellt würden, normalerweise in Form von Lizenzgebühren, die von der |
|
Zahl der Benutzer abhängen, was (F)RAND-Lizenzierungsrichtlinien |
|
inkompatibel mit Freier Software macht. Was Software-Standards betrifft, |
|
ist die (F)RAND-Herangehensweise weder vernünftig, noch |
|
nicht-diskriminierend.</p> |
|
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|
<p>Im umgekehrten Fall schließt eine Gebührenfreiheit proprietäre |
|
Implementierungen nicht aus (nicht einmal solche, die in hohem Ausmaß |
|
patentiert sind). Tatsächlich bedeutet Gebührenfreiheit, dass, insofern |
|
bestimmte Technologien in einem Standard vorgeschrieben sind, diese jedem |
|
ohne die Zahlung einer Lizenzgebühr zur Verfügung stehen müssen. Indessen |
|
können die Implementierungen unter beliebigen Lizenzen vertrieben werden |
|
und beliebige Technologien beinhalten, solange sie sich an den Standard |
|
halten.</p> |
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<p>Der gebührenfreie HTML-Standard ist beispielsweise in einer Vielzahl |
|
von Browsern implementiert, sowohl solchen, die auf Freier Software |
|
beruhen, als auch proprietären. Dies zeigt deutlich, dass ein |
|
gebührenfreier Software-Standard eine weite Verbreitung haben |
|
und Innovation durch Wettbewerb fördern kann.</p> |
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|
<h2 id="4">Die BSA repräsentiert nicht einmal ihre eigenen Mitglieder, |
|
geschweige denn die Software-Industrie als Ganzes</h2> |
|
|
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<p>Die BSA argumentiert, „der EIF könnte dahingehend interpretiert |
|
werden, dass die Teilnahme der innovativsten europäischen und |
|
nicht-europäischen Unternehmen am Standardisierungsprozess |
|
nicht erwünscht ist, falls sie Patente in den relevanten |
|
Technologien besitzen und sie im Fall, dass diese |
|
Patente Teil eines Standards werden, eine Vergütung für ihre Erfindungen |
|
verlangen.“</p> |
|
|
|
<p>Weiter behauptet die BSA: „Die Beteiligten verstehen die wichtige |
|
Verbindung zwischen geistigem Eigentum und Standardisierung – und |
|
verstehen auch, dass FRAND-basierte Standards äußerst flexibel sind |
|
und in einem großen Bereich von Lösungen implementiert werden können, |
|
sowohl in Open-Source, als auch in proprietären.“</p> |
|
|
|
<p>Im Widerspruch zur Behauptung der BSA, eine einheitliche Position |
|
der Software-Industrie zu vertreten, möchten wir bemerken, dass die |
|
ECIS, die von wichtigen Beteiligten der Industrie gebildet wurde (von |
|
denen manche auch Mitglied der BSA sind), das Gegenteil |
|
behauptet<a class="fn" href="#refs">3</a>. Obwohl die Mitglieder der ECIS |
|
über große Patentportfolios verfügen, wollen sie, dass Standards zur |
|
Software-Interoperabilität frei von Lizenzgebühren sind. Um nur ein |
|
Beispiel zu nennen: Google hat in großem Maße zu gebührenfreien |
|
Standards beigetragen, indem es eine durch die Industrie unterstützte |
|
Alternative zu MPEG anbietet.</p> |
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<h2 id="5">(F)RAND ist inkompatibel mit den meisten |
|
Freie-Software-Lizenzen</h2> |
|
|
|
<p>Die BSA behauptet, dass „die meisten Open-Source-Lizenzen vollständig |
|
kompatibel mit FRAND-basierter Lizenzierung sind.“</p> |
|
|
|
<p>Nach jeder vernünftigen Zählung (ob nach Menge des verfügbaren |
|
Source-Codes, dessen Wichtigkeit oder beidem) sind die relevantesten |
|
Freien (Open-Source) Software-Lizenzen:</p> |
|
|
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<ol> |
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|
<li>GNU GPL und LGPL</li> |
|
<li>Mozilla Public License</li> |
|
<li>Apache Public License</li> |
|
<li>BSD/MIT und andere ultra-freizügige Lizenzen</li> |
|
<li>EUPL</li> |
|
|
|
</ol> |
|
|
|
<p>Alle diese, eventuell mit Ausnahme der ultra-freizügigen Lizenzen, |
|
was aber nicht sicher ist, sind eindeutig inkompatibel mit |
|
gebührenpflichtigen Patentlizenzen. Gemäß Statistiken, die von |
|
<a href="http://www.blackducksoftware.com/oss/licenses#top20">Black Duck |
|
Software</a> veröffentlicht wurden, werden mehr als 85% der |
|
Freie-Software-Projekte unter Lizenzen vertrieben, die mit |
|
gebührenpflichtigen Patentlizenzen inkompatibel sind. Die GNU General |
|
Public License (GPL) ist als die weitaus am Häufigsten verwendete |
|
Freie-Software-Lizenz aufgelistet, sie wird von nahezu der Hälfte aller |
|
Projekte verwendet. Die Aufnahme von patentierten Technologien in |
|
auf Freier Software basierende Produkte verlangt von den |
|
Implementierern, falls überhaupt möglich, eine schwierige Vermischung |
|
von proprietären Teilen mit Freier Software. In solchen Fällen ist |
|
der resultierende Code zwangsläufig proprietäre |
|
Software<a class="fn" href="#refs">5</a>.</p> |
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|
<h2 id="6">Eine Bevorzugung Offener Standards steht in keinerlei |
|
Zusammenhang mit der Verhandlungsposition der EU gegenüber China</h2> |
|
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|
<p>Die BSA behauptet: „Die Mehrdeutigkeit der vorgeschlagenen |
|
Bevorzugung im EIF wird zweifelsohne |
|
die Fähigkeit der Kommission schwächen, die geistigen Eigentumsrechte |
|
der Europäer gegen eine Bedrohung aus China zu verteidigen.“</p> |
|
|
|
<p>Die Behauptung, dass die Empfehlung, offene |
|
Spezifikationen zu bevorzugen, die Verhandlungsposition der EU gegenüber China schwächen |
|
wird, ist schlicht und einfach falsch. Empfehlungen bezüglich der |
|
Nutzung offener Software-Spezifikationen im öffentlichen Sektor haben |
|
keinerlei Auswirkungen auf die Position der Kommission. Außerdem sollte |
|
noch einmal gesagt werden, dass gebührenfreie Standards nicht im |
|
Widerspruch zu einer „soliden Verteidigung“ von Patenten, Urheberrechten |
|
und Markenzeichen stehen.</p> |
|
|
|
<p>Wir möchten bemerken, dass in den Vereinigten Staaten im Zuge der |
|
Erstellung des „Special 301“ Berichts zu Handelshemmnissen von 2010 |
|
dem US-Handelsbeauftragten ähnliche Bedenken übermittelt wurden. Der |
|
Handelsbeauftragte beschloss, diese Bedenken nicht mit in den Bericht |
|
aufzunehmen, was deutlich zeigt, dass dies für die Regierung der |
|
Vereinigten Staaten kein Thema ist. Während solche Bedenken oft |
|
bei Beeinflussungsversuchen öffentlicher Politik geäußert werden, gibt |
|
es eine augenfällige Abwesenheit von Versuchen, solche Bevorzugungen |
|
auf rechtlichem Weg zu entfernen – vermutlich weil die, die die |
|
Behauptungen aufstellen, sehr gut wissen, dass die Behauptungen nicht |
|
auf Fakten beruhen.</p> |
|
|
|
<h2 id="7">Spezifikationen ohne Beschränkungen werden Standardisierung, |
|
Wettbewerb und Interoperabilität fördern</h2> |
|
|
|
<p>Die BSA behauptet, dass „die vorgeschlagene Bevorzugung des EIF für |
|
Spezifikationen, die frei von geistigem Eigentum sind, langfristig |
|
Standardisierung, Wettbewerbsfähigkeit und Interoperabilität untergraben |
|
wird.“</p> |
|
|
|
<p>Wir sind nicht in der Lage, zu deuten, was die BSA mit |
|
„von geistigem Eigentum freien Spezifikationen“ meint, aber wir glauben, |
|
dass eine solche Wortwahl von einem ungenügenden Verständnis des |
|
Standardisierungsprozesses von Seiten der BSA zeugt.</p> |
|
|
|
<p>Die Behauptung, dass die aktuelle Version des EIF Interoperabilität |
|
untergraben könnte, ist einfach untragbar. Sie folgt aus unbewiesenen |
|
Annahmen, von denen wir in der obigen Diskussion gezeigt haben, dass |
|
sie falsch sind. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt halten Lock-in-Effekte, die |
|
aus der Benutzung proprietärer Software und Dateiformate entstehen, |
|
die öffentliche Verwaltung häufig von einer freien Wahl ihrer |
|
IT-Lösungen ab. Stattdessen bleiben sie an einen bestimmten Anbieter |
|
gebunden. |
|
Der Stadtrat von Brighton und der Schweizer Kanton Solothurn sind zwei |
|
Beispiele der letzten Monate für die zahlreichen öffentlichen |
|
Einrichtungen, die von einer IT-Lösung zu einer anderen migrieren |
|
wollen und dabei durch patentgeschützte Software-Standards in einer |
|
suboptimalen Lösung festgehalten werden. Dieser Lock-in-Effekt führt zu |
|
Schwierigkeiten bei der Migration und zu hohen Kosten für die |
|
Steuerzahler.</p> |
|
|
|
<p>Im umgekehrten Fall erlauben Software-Standards, die ohne |
|
Beschränkungen implementiert werden könne, vielen konkurrierenden |
|
Implementierungen, miteinander zusammenzuarbeiten. In so einem Umfeld |
|
werden die Monopoleinnahmen einer kleinen Zahl von Großunternehmen |
|
durch einen lebhaften, innovativen Markt abgelöst, der sich durch |
|
einen harten Wettbewerb auszeichnet. Das Ergebnis sind bessere Lösungen |
|
und Dienstleistungen zu niedrigeren Preisen.</p> |
|
|
|
<h2 id="8">Empfehlungen</h2> |
|
|
|
<p>Im Licht der obigen Überlegungen fordern wir die Kommission |
|
eindringlich auf, Interoperabilität und Wettbewerb auf dem europäischen |
|
Software-Markt zu fördern, und nicht den etablierten, dominanten |
|
Unternehmen einen weiteren Hebel an die Hand zu geben, um ihre |
|
Kontrolle des Markts aufrechtzuerhalten. Daher fordern wir die |
|
Kommission auf, keine Billigung von (F)RAND-Lizenzierungen für |
|
Software-Standards in den EIF aufzunehmen. Stattdessen fordern wir |
|
die Kommission eindringlich auf, die Empfehlung beizubehalten, dass |
|
Spezifikationen nur als offen angesehen werden können, wenn sie unter |
|
unterschiedlichen Software-Linzenzierungsmodellen implementiert und |
|
verbreitet werden können, inklusive Freier |
|
Software<a class="fn" href="#refs">6</a> , die unter der GNU GPL |
|
lizenziert wird.</p> |
|
|
|
<p>Wir fordern die Kommission auch eindringlich auf, in die |
|
Revision des European Interoperability Framework eine starke |
|
Empfehlung an öffentliche Einrichtungen aufzunehmen, die Vorteile |
|
von Software, die auf Offenen Standards<a class="fn" href="#refs">7</a> |
|
basiert, im Hinblick auf freie Wahl, Wettbewerb, Vermeidung von |
|
Lock-in-Effekten und langfristiger Lesbarkeit von Daten zu nutzen.</p> |
|
|
|
<h2 id="fn">Fußnoten</h2> |
|
|
|
<ol id="refs"> |
|
|
|
<li>Siehe z.B. Rishab Aiyer Ghosh, Philipp Schmidt (2006): United |
|
Nations University Policy Brief, Nr. 1, 2006: „Wohldefinierte |
|
Offene Standards können den einzigartigen ökonomischen Effekt haben, |
|
dass ‚natürliche‘ Monopole für eine bestimmte Technologie gebildet |
|
werden können, während sie einen vollen Wettbewerb zwischen |
|
Anbietern dieser Technologie gewährleisten.“ [Hervorhebung |
|
hinzugefügt]</li> |
|
|
|
<li>MPEG ist eigens dahingehend entwickelt, dass ausdrücklich der |
|
Einsatz patentierter Technologien vorgeschrieben wird, sogar wo diese |
|
größtenteils durch (nach Meinung von Experten) nicht patentgeschützte |
|
Alternativen ersetzt werden können. Es ist vorstellbar, dass der |
|
Grund dafür ist, dass so viel Profit wie möglich aus der Verwendung |
|
einer bestimmten Implementierung gewisser mathematischer Prinzipien |
|
erzielt werden soll, anstatt eine gemeinsame und standardisierte |
|
Plattform zum Zweck der Interoperabilität zu schaffen. |
|
<br /> |
|
Darüber hinaus wurden die meisten MPEG-Standards zu einer Zeit |
|
etabliert, als Codecs noch in Hardware implementiert wurden, weil |
|
die verfügbare Bandbreite begrenzt und generische Hardware nicht |
|
ausreichend leistungsfähig war.</li> |
|
|
|
<li>Siehe |
|
<a href="http://www.ecis.eu/documents/ECISStatementreEIF13.10.10.pdf">die |
|
Reaktion der ECIS</a> vom 13. Oktober 2010 auf den Brief der BSA</li> |
|
|
|
<li>Für eine Diskussion hybrider Lösungen und Netzwerkprotokollen |
|
siehe die <a href="/activities/ms-vs-eu/fsfe_art18_reply_published_sourcecode.pdf">Antwort |
|
der FSFE und des Samba-Teams auf den Artikel 18</a>.</li> |
|
|
|
<li>Siehe die <a href="/freesoftware/freesoftware.html">Definition Freier Software der FSFE</a></li> |
|
|
|
<li>Wie definiert in der <a href="/freesoftware/standards/def.html">Definition |
|
eines Offenen Standards der FSFE</a></li> |
|
|
|
</ol> |
|
</body> |
|
<translator>Markus Enzenberger</translator> |
|
</html>
|
|
|