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<html>
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<head>
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<title>FSF Europe - Computerworld Magazin Schweiz - Stefan Krempl interviewt Georg Greve</title>
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</head>
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<body>
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<div align="right">
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[ Mit freundlicher Genehmigung durch Stefan Krempl gespiegelt von<br />
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<a href="http://viadrina.euv-frankfurt-o.de/~sk/Pub/interview-greve.html">http://viadrina.euv-frankfurt-o.de/~sk/Pub/interview-greve.html</a> ]
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</div>
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<blockquote>
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<h2>Software als Kulturgut</h2>
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<h3>Georg C. F. Greve kämpft
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mit der Free Software Foundation gegen den Raubbau an der Wissensgesellschaft.
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Interview: Stefan Krempl. Veröffentlicht in: Computerworld Magazin 4/2003</h3>
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</blockquote>
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<blockquote>
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<p><a href="http://www.germany.fsfeurope.org">Free Software Foundation Europe</a>,
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die im März
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2001 als Schwester des nordamerikanischen Pendants gegründet wurde,
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hat sich der Unterstützung der Freien Software in allen Bereichen verschrieben.
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Eine Hauptaktivität ihres Präsidenten, des Hamburgers <a href="http://gnuhh.org/">Georg
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C. F. Greve</a>, besteht daher in der politischen Aufklärung.
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Feind der Aktivisten ist die proprietäre Software, die nicht modifizierbar
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und vom Nutzer nur beschränkt kontrollierbar ist. Ihr unterstellt der
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studierte Physiker Greve im Gespräch mit Computerworld einen "viralen" Charakter,
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da sie zur Monopolbildung neige und die offene Netzwerkökonomie verstopfe.
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Damit dreht er ein Argument von Microsoft-Führungskräften um, die
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das Herzstück der Freien Software, ihre GNU General Public License,
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wiederholt als "Krebs" und Krankheitserreger bezeichnet haben.</p>
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<p><em>Herr Greve, auf Ihrer Homepage
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verfolgen Sie die Philosophie der Freien Software bis zum Heiligen Augustinus
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ins 4. Jahrhundert zurück. War
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der Kirchenvater ein verkappter Code-Hacker?</em></p>
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<p><strong>Georg C. F. Greve</strong>: Nach dem,
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was mir erzählt wurde, nicht unbedingt.
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Doch er gab eine klare Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit Wissen.
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Die Weitergabe von Wissen und Ideen durch Kommunikation gehörte schon
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immer zu den grundlegenden Bedürfnissen der Menschen. Angefangen bei
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den ersten Höhlenmalereien und Musikinstrumenten haben Menschen danach
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gestrebt, sich mitzuteilen und soziale Netze zu knüpfen. Daher auch
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der Ausspruch von St. Augustinus, der (frei übersetzt) sagte: "Jede
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Sache, die dadurch, dass man sie weitergibt, nicht verloren geht, wird
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nicht auf richtige Weise besessen, wenn man sie nur besitzt, aber nicht
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weitergibt." Das
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Bemerkenswerte ist, dass hier bereits die Verlustfreiheit dieses Vorgangs
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eine zentrale Komponente ist. Wissen geht durch die Weitergabe nicht verloren,
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Lehrer etwa werden durch den Akt der Wissensvermittlung nicht unwissend.
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Die neue Generation ist vermutlich die Erste in der Geschichte der Menschheit,
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die mit dem Bild aufgewachsen ist, dass Wissen Eigentum sei, dessen Weitergabe
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ihr moralisches äquivalent in einem mit physikalischer Gewalt ausgeführten überfall
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("Raubkopie", "Piraterie") hat.</p>
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<p><em>Sie weisen gern auf
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Gemeinsamkeiten zwischen den Prinzipien der Freien Software und der Wissenschaft
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hin. Lässt
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sich diese These erhärten?</em></p>
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<p><strong>Greve</strong>: Wissenschaft beruht
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auf dem methodischen Arbeiten. Neben einer Objektivierung der Erkenntnis ermöglicht es die Zusammenarbeit vieler Menschen, um
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in Kooperation weiter zu kommen als jeder für sich allein. Sehr schön
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hat dies Sir Isaac Newton ausgedrückt, als er sagte: "Wenn ich
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etwas weiter sah als andere, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen
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stand." Den Vorteil hat die gesamte Gesellschaft. Ebenso funktioniert
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das Paradigma Freier Software, da es uns bewusst erlaubt, auf dem Stand der
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Technik aufzubauen und dazu beizutragen. Davon profitieren hinterher alle.</p>
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<p><em>Wie
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erklären Sie Politikern in Bern, Berlin oder Brüssel,
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denen Sie als Anwalt des offenen Source-Codes das Phänomen
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der Freien Software schmackhaft machen sollen, die Vorzüge
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der "Quellenarbeit"?
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Die philosophische Argumentation dürfte da ja wenig bewirken.</em></p>
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<p><strong>Greve</strong>:
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Im Bereich der Politik konzentrieren wir uns in der Tat zumeist
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auf die betriebs- und volkswirtschaftlichen Vorteile Freier
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Software,
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sowie die
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Gewinne an politischer Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit.
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Der erste Schritt ist zu erklären, dass es bei Freier Software
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eben nicht "nur
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um eine Technologie" geht, sondern um ein neues Paradigma
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im Umgang mit Software. Software hat sehr viel mehr Einfluss auf
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die Gesellschaft,
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als allgemein angenommen. Der Zugriff auf Software ist die grundlegende
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Voraussetzung für wesentliche Teile unserer Wirtschaft, er
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entscheidet über die
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Meinungsbildung durch den Zugang zu Informationen und beeinflusst
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maßgeblich
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die Möglichkeiten des Einzelnen zu Bildung, Kommunikation
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und Arbeit. Das macht Software zu einer Kulturtechnik und einem
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Kulturgut. Bei Freier
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Software geht es darum, ein neues Paradigma zu etablieren, welches
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das System in Richtung auf mehr politische Unabhängigkeit,
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weniger Monopole, mehr Gleichberechtigung, niedrigere Markteintrittsbarrieren,
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bessere Möglichkeiten
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der informationellen Selbstbestimmung und eine gestärkte Volkswirtschaft ändert.</p>
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<p><em>Wie
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funktioniert das Lobbying der FSF Europe konkret? Die Organisation
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hat ja vermutlich nicht das Personal und die Mittel, um den
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politischen Entscheidungsträgern
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in Brüssel und den Nationalstaaten ständig gewiefte
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Lobbyexperten auf den Schoß zu setzen?</em></p>
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<p><strong>Greve</strong>: Unsere
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Mittel sind in der Tat bescheiden -- vor allem im Vergleich
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mit Interessengruppen, denen an einer Ausweitung der intellektuellen
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Kontrollrechte gelegen ist. Daher bemühen wir uns, an
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den wichtigen Stellen Impulse zu setzen. Das kann die Teilnahme
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an einer Konferenz, einer Kommission oder
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auch das Schreiben eines Artikels sein. Außerdem gibt
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es auch Leute innerhalb der Institutionen, die die Vorteile
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Freier Software erkannt haben
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und die wir mit "Munition" ausstatten. Leider ist
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die Bedeutung dieser Arbeit schwer zu vermitteln, zumal sie
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langsam wirkt und eine recht
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hohe Frustrationstoleranz erfordert. Dabei ist sie so wichtig
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wie nie zuvor, bildet sie doch das Gegengewicht zur proprietären
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Software- und Medienindustrie, die dabei ist, sämtliche
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Claims der Wissensgesellschaft für sich
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abzustecken und dabei einen beträchtlichen Flurschaden
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anrichtet. Gegen diesen Raubbau am intellektuellen Fundament
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der künftigen Generationen
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arbeiten wir mit dem Ziel, ein wirtschaftlich wie sozial
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verträglicheres
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System zu etablieren.</p>
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<p><em>Warum macht sich die FSF
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just so sehr für den Einzug
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von Linux und Co. in die öffentlichen Verwaltungen
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stark?</em></p>
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<p><strong>Greve</strong>: Das Paradigma proprietärer Software hat
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eine stark monopolisierende Tendenz. Dies leitet sich davon
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ab, dass üblicherweise Produkte eines
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Herstellers nur mit sich selbst gut funktionieren. Sind
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nun zwei Menschen darauf angewiesen, miteinander zu arbeiten
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oder zu kooperieren, müssen
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sie zumeist dasselbe Produkt desselben Herstellers benutzen.
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Theoretisch bieten offene Standards zwar einen Ausweg.
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Praktisch zeigt sich jedoch, dass
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dies kaum funktioniert. Die Versuchung, offene Standards
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zu "verbessern" ist
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offensichtlich zu groß für proprietäre
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Softwarehersteller. So ist dann nur noch die Migration
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zu dessen Produkt möglich.</p>
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<p><em>Der berühmte
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Lock-in-Effekt?</em></p>
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<p><strong>Greve</strong>: Genau. Dieser "virale" Effekt
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proprietärer Software
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ist der Grund dafür, dass das proprietäre
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Paradigma eine sehr stark monopolisierende Tendenz
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aufweist. Besonders schwierig wird es, wenn die öffentliche
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Hand auf proprietäre Software setzt, da sie schnell
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Gefahr läuft,
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so Monopolen Vorschub zu leisten. Bei konsequentem
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Einsatz Freier Software wird dies vermieden und auch
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die politische wie wirtschaftliche Unabhängigkeit
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der Regierung gestützt. Außerdem geht davon
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eine gewisse Akzeptanz aus, die speziell im Wirtschaftsumfeld
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wichtig ist und es den Unternehmen
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eines Landes leichter macht, mit und durch Freie Software
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wirtschaftlich erfolgreich zu sein.</p>
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<p><em>Was sehen Sie als
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die Höhepunkte Ihres lobbyistischen
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Schaffens an? Was haben Sie in den vergangenen
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zwei Jahren seit der Gründung
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der Plattform erreicht?</em></p>
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<p><strong>Greve</strong>: Seit der Gründung
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der FSF Europe Anfang 2001 konnten wir bereits
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einige Erfolge verbuchen. So waren wir zu Gesprächen
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und Vorträgen
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von Tokio bis nach Washington im Einsatz. Unsere
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Teilnahme am Vorbereitungstreffen für den
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Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS)
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im Juli 2003 in Paris erfolgte als Teil der deutschen
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Regierungsdelegation. Andere Beispiele
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sind die Commission on Intellectual Property Rights
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der britischen Regierung, zu deren Expertenworkshop
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ich eingeladen war und die als Ergebnis den Entwicklungsländern
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den Blick auf Freie Software empfahl. Auch im Rahmen
|
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der Europäischen
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Kommission waren wir aktiv. So gelang es uns etwa,
|
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im Gebiet der Information Society Technologies
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(IST) eine generelle Aussage zugunsten Freier Software
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unterzubringen, die Projekten Freier Software einen
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|
Evaluationsbonus bei
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der Vergabe der Fördergelder gibt.</p>
|
|
<p><em>Ist der
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|
Kampf gegen einen Milliardenkonzern wie Microsoft,
|
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der stellvertretend für die Welt des geschlossenen,
|
|
proprietären
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Quellcodes steht, nicht trotzdem oft frustrierend?</em></p>
|
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|
<p><strong>Greve</strong>:
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Zunächst einmal kämpfen wir nicht
|
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gegen Microsoft, auch wenn die Firma das
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|
manchmal anders zu sehen scheint. Das Monopol,
|
|
das Microsoft
|
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innehat, ist das zu erwartende Ergebnis eines
|
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auf proprietärer Software
|
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aufgebauten Systems. Wäre es nicht Microsoft,
|
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wäre es jemand anders.
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Natürlich hat der aktuelle Inhaber des
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Monopols mehr zu verlieren als Andere und
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wehrt sich dementsprechend heftiger, doch
|
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ist uns
|
|
nicht daran
|
|
gelegen, ein Monopol gegen ein Anderes zu
|
|
ersetzen. Wir möchten das
|
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System dahingehend ändern, dass es weniger
|
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Tendenzen zur Monopolisierung gibt. Dabei
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sind wir bereit, auch Microsoft auf dem Weg
|
|
zu Freier
|
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Software
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zu unterstützen -- obwohl es vermutlich
|
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noch dauern wird, bis Microsoft diesen Schritt
|
|
unternimmt.</p>
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|
<p><em>Die FSF Europe hat sich gegen
|
|
die Einführung
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von Softwarepatenten ausgesprochen – die
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|
Haltung der EU-Kommission und von Teilen
|
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des Europaparlaments weist aber in die
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|
entgegen
|
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gesetzte
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Richtung. Zeigen sich hier die Grenzen
|
|
des Lobbyings im Namen der Freien Softwareentwickler?</em></p>
|
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|
<p><strong>Greve</strong>:
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Softwarepatente schaden der Freien Software
|
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extrem, sind aber nicht eine ausschließliche
|
|
Frage der Freien Software. Tatsächlich geht
|
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es hier eher um Belange kleiner und mittelständischer
|
|
Unternehmen. Diese mögen in Europa
|
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den größten Teil des Bruttosozialproduktes
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erwirtschaften, haben aber praktisch kaum
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politisches Gewicht. Es sind vor allem
|
|
Organisationen wie die amerikanische Business
|
|
Software Alliance (BSA),
|
|
die zugunsten von Softwarepatenten arbeiten.
|
|
Dass die BSA kein einziges europäisches
|
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Mitglied hat, macht diesen Umstand besonders
|
|
pikant. Bei einer Umfrage der Europäischen
|
|
Kommission zum Thema äußerte
|
|
sich die Mehrheit der europäischen
|
|
Unternehmen übrigens klar kritisch
|
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zu Softwarepatenten. Die Auswerter der
|
|
Studie haben sich im Nachhinein dennoch
|
|
für Softwarepatente
|
|
ausgesprochen, nachdem die Stimmen entsprechend
|
|
des Finanzvolumens der Unternehmen gewichtet
|
|
wurden.</p>
|
|
<p><em>Wie sich schwammige Patentansprüche
|
|
gegen die Community einsetzen lassen,
|
|
zeigt der heftige Streit zwischen SCO und der
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Linux-Welt.
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Ist das ein Ausblick auf kommende Schlachtfelder
|
|
oder der Nachhall eines im Sterben
|
|
liegenden Softwareverständnisses?</em></p>
|
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<p><strong>Greve</strong>: Die SCO-Auseinandersetzung
|
|
ist der Todeskampf einer Firma, die bereits
|
|
seit
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|
Jahren kein klares
|
|
Konzept und
|
|
keine innovative
|
|
Kraft
|
|
mehr hat. Daher
|
|
versuchen sie, mit solchen Manövern
|
|
eine übernahme zu erreichen
|
|
oder zumindest den Aktienkurs kurzfristig
|
|
in die Höhe zu treiben. Obwohl
|
|
SCO selber Freie Software vertrieben
|
|
hat, hat das Management sie offensichtlich
|
|
nie verstanden. Insofern zeigt sich
|
|
hier, dass es nicht reicht, sich Freie
|
|
Software auf die Fahnen zu schreiben,
|
|
ohne sie auch in ihren Grundlagen zu
|
|
durchdringen. Bei SCO saß man
|
|
aller Wahrscheinlichkeit der irrigen
|
|
Ansicht auf, es handele sich bei GNU/Linux
|
|
nur um ein neues Betriebssystem.</p>
|
|
<p><em>Momentan
|
|
wird in vielen europäischen
|
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Ländern
|
|
die umstrittene Urheberrechtsrichtlinie
|
|
aus Brüssel umgesetzt. Wo
|
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liegen hier und in der geplanten
|
|
Verschärfung
|
|
des Paragraphenwerks die Gefahren
|
|
für
|
|
die Freie Software?</em></p>
|
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<p><strong>Greve</strong>: Die Gefahren
|
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der European Copyright Directive
|
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(EUCD) sind
|
|
nicht auf Freie
|
|
Software beschränkt, treten
|
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dort aber besonders deutlich zutage.
|
|
Die Strafbarmachung der "Umgehung
|
|
technischer Schutzmaßnahmen" bedeutet
|
|
die teilweise Umwandlung der Demokratie
|
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in eine Technokratie. Sie erlaubt
|
|
es, Barrieren im öffentlichen
|
|
Raum zu schaffen, deren überschreitung
|
|
strafbar ist. So hat beispielsweise
|
|
Scientology die entsprechende Gesetzgebung
|
|
in den Vereinigten Staaten, den
|
|
Digital Millennium Copyright Act
|
|
(DMCA), erfolgreich zur Zensur
|
|
eingesetzt. Ein anderes Beispiel
|
|
ist das des norwegischen
|
|
Teenagers Jon Johansen, der wegen
|
|
Verletzung des DMCA angeklagt wurde:
|
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er hatte die Möglichkeit geschaffen,
|
|
regulär gekaufte DVDs auch
|
|
unter GNU/Linux abzuspielen. Das
|
|
eigentliche Ziel von DMCA und EUCD
|
|
ist es, die
|
|
Auseinandersetzung mit Software
|
|
selbst dann strafbar zu machen,
|
|
wenn diese völlig legal ist.
|
|
Es geht um die Implementierun eines
|
|
Digitalen Restriktionsmanagements
|
|
(DRM), von dem sich die Plattenindustrie
|
|
die Lösung ihrer internen
|
|
Strukturkrise verspricht. Erforderlich
|
|
ist dafür die totale überwachung
|
|
des Nutzers. Das verträgt
|
|
sich naturgemäß nicht
|
|
mit Freier Software, die darauf
|
|
ausgelegt ist, dem Nutzer die Freiheit
|
|
der Kontrolle über seine
|
|
informationelle Umgebung zu geben.</p>
|
|
|
|
<p><em>Sie
|
|
haben im Februar das Fiduciary
|
|
Licence Agreement (FLA) veröffentlicht.
|
|
Was genau ist das und wer profitiert
|
|
davon?</em></p>
|
|
<p><strong>Greve</strong>: Die Treuhänderische
|
|
Lizenzvereinbarung (FLA) erlaubt es Autoren Freier Software, die FSF Europe
|
|
oder eine andere Organisation zum Treuhänder
|
|
ihrer Rechte zu machen. Dadurch
|
|
kann die FSF Europe die langfristige juristische Wartbarkeit und Sicherheit
|
|
Freier Software gewährleisten und zudem die
|
|
Autoren vor einem Teil des
|
|
juristischen Risikos schützen. Die FSF Nordamerika
|
|
macht dies bereits seit einiger
|
|
Zeit für das GNU-Projekt und das hat
|
|
sich gerade auch im SCO-Fall
|
|
von unschätzbarem Wert erwiesen. Nicht
|
|
umsonst konzentrieren sich
|
|
alle Angriffe von SCO ausschließlich auf
|
|
den Linux-Kernel des GNU/Linux-Systems,
|
|
denn dort wurden solche Vorkehrungen nicht getroffen. Nutznießer
|
|
des FLA sind also die Autoren und Nutzer Freier Software, vor allem auch
|
|
die kommerziellen Nutzer, die auf eine entsprechende
|
|
Rechtssicherheit angewiesen
|
|
sind.</p>
|
|
<p><em>Im Dezember steht der World
|
|
Summit on the Information Society in Genf an, auf dem im internationalen
|
|
Rahmen
|
|
die Weichen
|
|
für die vernetzte Gesellschaft
|
|
gestellt werden sollen. Die
|
|
FSF Europe vertritt dabei
|
|
mit die Interessen der Netzbürger.
|
|
Haben Sie ein gutes Gefühl
|
|
oder werden sich die großen
|
|
Konzerne hier ähnlich
|
|
wie in der World Intellectual
|
|
Property Organization (WIPO)
|
|
durchsetzen?</em></p>
|
|
|
|
<p><strong>Greve</strong>: Tatsächlich
|
|
steht dies zu befürchten.
|
|
Momentan tun viele so,
|
|
als ob der WSIS der falsche
|
|
Ort
|
|
sei, um die Rechte an der
|
|
Informationsgesellschaft
|
|
zu diskutieren. Dies solle
|
|
man lieber innerhalb der
|
|
WIPO tun, heißt
|
|
es. Dazu kommen Probleme
|
|
mit Regierungen, die sich
|
|
gegen diese Diskussion
|
|
mit dem Argument wehren,
|
|
sie
|
|
sei Aufgabe einer Menschenrechtskommission.
|
|
Dass Informationstechnologie
|
|
auch dazu eingesetzt werden
|
|
kann, bestehende
|
|
Menschrechte de facto außer
|
|
Kraft zu setzen, fällt
|
|
schnell unter den Tisch.</p>
|
|
<p><em>Was
|
|
ist nötig, um Software
|
|
als "Kulturgut" stärker
|
|
ins öffentliche
|
|
Bewusstsein zu hieven?</em></p>
|
|
|
|
<p><strong>Greve</strong>: Zunächst
|
|
einmal ist es wichtig,
|
|
dass Menschen beginnen,
|
|
zu verstehen, wie sehr
|
|
Software bereits in das
|
|
tägliche Leben eingedrungen
|
|
ist. Im Zweifelsfall müsste
|
|
dies auch an Schulen und
|
|
Universitäten behandelt
|
|
werden. Grundkenntnisse
|
|
im Programmieren wären
|
|
hilfreich dabei, die Möglichkeiten
|
|
der Informationstechnologie
|
|
zu verstehen. Das Wissen
|
|
um grundlegende Zusammenhänge
|
|
und die Existenz bestimmter
|
|
Fragen und Gefahren dürfte
|
|
unverzichtbar sein. Teil
|
|
des Problems ist, dass
|
|
diese Fragen in den Medien üblicherweise
|
|
im Technik- oder Wissenschaftsteil
|
|
behandelt werden, obwohl
|
|
sie eher in den politischen
|
|
Teil und oder ins Feuilleton
|
|
gehören.</p>
|
|
<p><em>Kann
|
|
die freie Softwaregemeinde
|
|
heute bereits mit ausreichenden
|
|
Alternativen zur proprietären
|
|
Softwareentwicklung
|
|
aufwarten?</em></p>
|
|
|
|
<p><strong>Greve</strong>: Ja,
|
|
alle Standardprobleme
|
|
lassen sich ebenso
|
|
gut oder sogar besser
|
|
lösen. Speziell
|
|
bei den vernetzten
|
|
Aktivitäten hat
|
|
Freie Software klar
|
|
die Nase vorn – der
|
|
größte Teil
|
|
des Internet basiert
|
|
darauf. Mittlerweile
|
|
lässt sich sagen,
|
|
dass GNU/Linux nicht
|
|
mehr schwerer zu bedienen
|
|
ist als beispielsweise
|
|
Windows. Allerdings
|
|
sollten Umsteiger
|
|
die Bereitschaft mitbringen,
|
|
sich mit etwas Neuem
|
|
auseinanderzusetzen.
|
|
Die Ausnahme bilden
|
|
im Moment noch einige
|
|
branchenspezifische
|
|
Lösungen,
|
|
die häufig auf
|
|
Windows maßgeschneidert
|
|
wurden. Doch auch hier
|
|
lassen sich in der
|
|
Praxis oft Lösungen
|
|
finden und es zeigt
|
|
sich, dass diese Lücken
|
|
zunehmend geschlossen
|
|
werden.</p>
|
|
<p><em>Monopole wie
|
|
Microsoft erleichtern
|
|
Anwendern häufig
|
|
das Arbeiten mit
|
|
dem Computer, etwa
|
|
durch
|
|
die raschere Etablierung
|
|
von Standards.
|
|
Ist das wirklich
|
|
immer
|
|
nur schlecht für
|
|
den (Dumm-)Nutzer,
|
|
der selbst mit
|
|
dem Quellcode gar
|
|
nichts
|
|
anfangen kann?</em></p>
|
|
|
|
<p><strong>Greve</strong>:
|
|
Im professionellen
|
|
Bereich gelten
|
|
andere Kriterien
|
|
und
|
|
Maßstäbe,
|
|
doch begegnet man
|
|
dieser Frage gelegentlich
|
|
im Bereich der
|
|
Privatanwender.
|
|
Allerdings erweist
|
|
sich die Annahme
|
|
bei Licht betrachtet
|
|
als auf Sand gebaut.
|
|
Zu den wesentlichen
|
|
Eigenschaften des
|
|
proprietären
|
|
Software-Paradigmas
|
|
gehört die
|
|
Notwendigkeit von
|
|
erzwungenen Updates.
|
|
Diese erfordern
|
|
von den Nutzern
|
|
zum Teil eine wesentliche
|
|
Umstellung und
|
|
es wird oft bewusst
|
|
die Kompatibilität
|
|
zu alten Versionen
|
|
aufgegeben. Dazu
|
|
kommt, dass der
|
|
Preis für
|
|
diese scheinbare
|
|
Standardisierung
|
|
recht hoch ist
|
|
und die Frage nach
|
|
dem Sourcecode
|
|
dafür sekundär
|
|
ist. Vom gesellschaftlichen
|
|
Standpunkt zentral
|
|
ist die persönliche
|
|
informationelle
|
|
Freiheit und Selbstbestimmung
|
|
des Nutzers.</p>
|
|
<p><em>Was
|
|
entgegen Sie
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Kritikern, die der FSF einen
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Hang zum Dogmatismus
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vorwerfen?
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Wäre
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es manchmal nicht
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sinnvoller, statt
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auf Begriffen wie "Freier
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Software" statt "Open
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Source" oder "GNU/Linux" herumzureiten,
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pragmatischer vorzugehen?</em></p>
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<p><strong>Greve</strong>: Leider scheint es, dass
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heutzutage "pragmatisch" oft als
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Synonym für kurzsichtig herhalten muss. Das halte ich für problematisch.
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Die Free Software Foundation hat sich immer um langfristige Perspektiven
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bemüht und ist zumeist außerordentlich pragmatisch vorgegangen.
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Ein gutes Beispiel ist die GNU General Public License (GPL), die meistverwandte
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Lizenz Freier Software, die von der FSF herausgegeben, gewartet und geschützt
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wird. Diese Lizenz ist sehr bewusst so geschrieben, dass sie die maximale
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Freiheit der Mehrheit schützt -- unter der Annahme, dass manche
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Menschen sich egoistisch verhalten. Sie funktioniert ausgezeichnet in einer
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rein pragmatischen Welt. Deswegen setzen sie Unternehmen wie IBM ein. Was
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die Begriff angeht, so zeigt die Erfahrung, dass diese die Art und Weise
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beeinflussen, wie Menschen denken. "Open Source" wurde 1998 als
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Marketingbegriff für Freie Software vorgeschlagen. Die Erfahrung hat
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jedoch gezeigt, dass er speziell bei Nicht-Entwicklern den wahren Inhalt,
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die Freiheit, nicht vermittelt. Dazu kommt, dass der Begriff sich als anfällig
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für Missbrauch und inflationäre Verwendung erwiesen hat. Pragmatismus
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kann auch bedeuten, einen Marketingversuch aufzugeben, wenn klar wird,
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dass er mehr schadet als nutzt.</p>
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</blockquote>
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