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<html newsdate="2020-12-08">
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<version>1</version>
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<title>Deutsche Corona-App ohne Google-Dienste verfügbar</title>
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</head>
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<h1>Deutsche Corona-App ohne Google-Dienste verfügbar</h1>
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Eine Handvoll Freie-Software-Entwickler hat heute geschafft, was
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offizielle Stellen monatelang versäumt haben: Sie haben die deutsche
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Corona-Warn-App zum Nachverfolgen von Covid-19-Risikokontakten in
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einer Version bereitgestellt, die komplett ohne Abhängigkeiten von
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Google auskommt und im freien App-Store F-Droid erhältlich ist.
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Bereits im April dieses Jahres <a
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href="/news/2020/news-20200402-02.html">formulierte die FSFE zwei
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Grundvoraussetzungen für sogenannte Corona-Apps</a>. Erstens darf es
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keine Nutzungspflicht geben, und zweitens müssen sie als Freie
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Software verfügbar sein. Auf den ersten Blick erfüllt die im Juni
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veröffentlichte deutsche <em>Corona-Warn-App</em> (CWA), wie mittlerweile
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viele andere in Europa, diese Anforderungen. Jedoch wird der
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Austausch von Geräteschlüsseln mittels Bluetooth, auf deren Basis das
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Risiko berechnet wird, von einer unterliegenden Schnittstelle
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gehandhabt.
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<figure>
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<img
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src="https://pics.fsfe.org/uploads/medium/4c841b6189a6d77a8061a94ee30b6d1b.jpg"
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alt="Screenshot of Corona Warn App" />
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</figure>
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Das Problem dabei: Diese Schnittstellen-Software, <em>Exposure
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Notifications API</em> genannt und maßgeblich entwickelt von Apple
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und Google, ist größtenteils proprietär. Sie kann also nicht frei
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benutzt, untersucht, verbreitet und verbessert werden. In Googles
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Android-Betriebssystem ist außerdem die Installation und Nutzung der
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Play Services notwendig. Diese Google-Dienste greifen tief in das
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System ein und untergraben die digitale Souveränität der
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Anwenderinnen und Anwender. Dies verhindert standardmäßig die Nutzung
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vieler Corona-Apps für Menschen, die auf <a
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href="/activities/android/">Datenschutz und Softwarefreiheit auf
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ihren Android-Geräten</a> Wert legen.
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<h2>Ehrenamtliche lösen Problem Schritt für Schritt</h2>
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Eine erste große Verbesserung stellte der Freie-Software-Entwickler
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und FSFE-Unterstützer Marvin Wißfeld im September bereit. Er <a
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href="https://mastodon.social/@larma/104630652216622243">baute die
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Exposure-Notification-Funktionalität in microG ein</a>, eine
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Freie-Software-Implementierung der proprietären Google-Dienste. Damit
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können zumindest Menschen diverse Corona-Apps verwenden, die ein <a
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href="/activities/android/">Google-freies Android-Telefon</a>
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besitzen und microG installiert haben.
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<figure>
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<img
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src="https://pics.fsfe.org/uploads/medium/35a91da85f747e4c4621ce5e8e336b73.png"
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alt="Screenshot of microG's Exposure Notification API" />
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<figcaption>
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Freie-Software-Implementation der unterliegenden Exposure
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Notification API in microG
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</figcaption>
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</figure>
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Vor wenigen Tagen gingen Christian Grigis, Fynn Godau, Marcus
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Hoffmann und Marvin Wißfeld noch einen Schritt weiter. Sie <a
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href="https://codeberg.org/corona-contact-tracing-germany/cwa-android">integrierten
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die Exposure-Notification-Komponente von microG direkt in die
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deutsche Corona-Warn-App</a>. Dieses sogenannte Drop-In-Replacement
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ermöglicht selbst Menschen, die weder die Google-Dienste noch deren
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Freie-Software-Alternative microG installiert haben, die Nutzung der CWA. Außerdem
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<a href="https://f-droid.org/packages/de.corona.tracing/">stellen sie
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seit heute die App auf F-Droid bereit</a>,
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einem App Store mit ausschließlich Freier Software. Das ist somit
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auch vorteilhaft für jene Nutzerinnen und Nutzer, die zwar microG
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oder Google-Dienste installiert haben, aber ihre Software aus
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Sicherheits- und Komfortgründen lieber über F-Droid beziehen.
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microG-Hauptentwickler und FSFE-Unterstützer Marvin Wißfeld ergänzt
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dazu:
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<blockquote>
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<p>
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"Die vorherige Lösung, microG zu installieren, kommt oftmals aus
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verschiedenen Gründen nicht in Frage. Die neue App aus F-Droid ist
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aber zum Beispiel auch problemlos auf allen aktuellen Smartphones
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von Huawei lauffähig, die seit Mitte 2019 teilweise ohne
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Google-Dienste ausgeliefert werden. Die Regierung und das RKI haben
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so in den letzten Monaten womöglich tausende Nutzer der
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Corona-Warn-App verloren, da ausschließlich Google- und
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Apple-Nutzer als Zielgruppe anvisiert wurden."
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</blockquote>
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<p>
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Es steht nun den verantwortlichen Stellen, der deutschen
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Bundesregierung, dem Robert-Koch-Institut (RKI) sowie deren
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Auftragnehmern SAP und T-Systems frei, die <a
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href="https://github.com/corona-warn-app/cwa-app-android/issues/1483#issuecomment-734491614">Änderungen
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in den Hauptentwicklungszweig zu übernehmen</a>, und damit zusammen
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mit der Freie-Software-Gemeinschaft an einem Strang zu ziehen.
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Außerdem kann diese Methode prinzipiell auch für Corona-Apps anderer
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Länder angewandt werden.
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<h2>Freie Software wieder einmal in Vorreiterrolle</h2>
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<p>
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Wir sehen dabei ein bekanntes Muster: die Freie-Software-Gemeinschaft
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<a href="https://github.com/corona-warn-app/cwa-documentation/issues/5">legt
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ein Problem sowie eine mögliche Lösung dar</a>, wird aber so lange <a
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href="https://github.com/corona-warn-app/cwa-documentation/issues/5#issuecomment-627848335">abgewiesen</a>,
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bis Ehrenamtliche das Problem mit unbezahltem Einsatz und ohne
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offizielle Unterstützung selbst lösen. Dabei würde es nicht an den
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Ressourcen der beteiligten Verwaltungen und Firmen scheitern, diese
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signifikanten Verbesserungen selbst auszuführen oder zumindest zu
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unterstützen. Es ist löblich, dass die CWA konsequent von Anfang an
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als Freie Software entwickelt und veröffentlicht wurde, aber es
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mangelte an der notwendigen Konsequenz, um technisch mittlerweile
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unnötige Abhängigkeiten von proprietärer Software zu entfernen.
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Die FSFE appelliert an Regierungen und Verwaltungen, entwickelte
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Software als Freie Software zu veröffentlichen, Abhängigkeiten von
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Googles und Apples Appstores aufzubrechen und stattdessen ihre Apps
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über unabhängige Quellen wie F-Droid installierbar zu machen, und auf
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proprietäre Abhängigkeiten zu verzichten. Wie Wißfeld erläutert,
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ergeben sich bereits im Fall der Corona-Warn-App ganz konkret
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zusätzliche Vorteile bei der Bekämpfung der Pandemie:
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<blockquote>
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"Die freie Implementierung birgt - ganz im Sinne von Freier
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Software - das Potenzial für Verbesserungen, die die proprietäre
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Schnittstelle von Google nicht ermöglicht. So wäre es zum Beispiel
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möglich, bei einer Begegnungs-Warnung auch die Uhrzeit der
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Begegnung anzuzeigen. Das kann - bei freiwilliger Datenweitergabe
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des Nutzers - den Gesundheitsämter beim Ermitteln von Hotspots oder
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Clustern helfen oder für statistische Zwecke genutzt werden, um die
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Effektivität von Schutzmaßnahmen zu erhöhen."
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</p>
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</blockquote>
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Wir danken allen beteiligten Personen, die die Nutzung der Corona-App
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in Deutschland ermöglicht haben, ohne dabei Einbußen bei der
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Softwarefreiheit in Kauf nehmen zu müssen.
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</p>
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</body>
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<tags>
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<tag key="front-page"/>
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<tag key="de">Deutschland</tag>
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<tag key="fya">Android</tag>
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<tag key="corona">Corona</tag>
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<discussion href="https://community.fsfe.org/t/552"/>
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