Reinhard Müller
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<title>FSF Europe - Freie Software in der Bundesregierung - Offener Brief an Dr. Uwe Küster</title>
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<center>
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<h1>"Freie Software in der Bundesregierung"</h1>
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</center>
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<h3>Offener Brief an den Bundestagsabgeordneten und Mitglied des
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Ältestenrates, Dr. Uwe Küster <br /> von Georg Greve, Präsident der FSF
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Europe.</h3>
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<p>Sehr geehrter Herr Dr.Küster,</p>
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<p>seit einiger Zeit verfolge ich mit großem Interesse die Debatte um
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einen möglichen Umstieg des Deutschen Bundestags auf das GNU/Linux<a
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NAME="ref1" HREF="#fn1"><sup>1</sup></a> System und habe in diesem
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Zusammenhang die Stellungnahme von Herrn Kelber sowie die Erwiderung
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des LIVE-Vorstandsmitgliedes Daniel Riek, gelesen.</p>
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<p>Ich gehe damit konform, daß emotionale und ideologische Fragen nicht
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zur Grundlage einer solchen Entscheidung gemacht werden dürfen,
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vielmehr müssen funktionelle und sicherheitsrelevante Aspekte
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Beachtung finden.<br />
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Gerade deshalb darf die Debatte nicht auf die Frage
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"Windows oder GNU/Linux" verkürzt werden. Vor der
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Entscheidung über das spezifische System steht eine grundsätzliche
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Frage, deren politische Dimension weit über die Informationssicherheit
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und auch über die von Daniel Riek angesprochenen
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wettbewerbspolitischen Aspekte hinausgeht. Diese Grundsatzfrage muß
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ebenfalls unbelastet durch emotionale, ideologische oder gar
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polemische Beiträge beantwortet werden.</p>
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<p>Die Informationstechnologie und die Software, auf der sie beruht,
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gewinnt zunehmend Bedeutung und ist bereits heute unverzichtbar. Durch
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ihre Omnipräsenz entscheidet der Zugang zur Software in wachsendem
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Maße über unsere Fähigkeit, am gesellschaftlichen und politischen
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Leben teilzunehmen, Wissen auszutauschen, zu kommunizieren. Sie
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determiniert unsere berufliche Zukunft und gibt vor, in welchem Rahmen
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wir das in der Europäischen Grundrechte Charta verankerte Recht auf
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Meinungs- und Informationsfreiheit wahrnehmen können.</p>
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<p>Der Beschluß des Deutschen Bundestages über die Förderung Freier
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Software in der Bundesverwaltung ist Ihnen sicherlich bekannt.<a NAME="ref2" HREF="#fn2"><sup>2</sup></a>
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Er hebt sich insofern positiv von der Masse ab, als die Freiheit
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bereits eine Rolle in der Definition Freier Software spielt,
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beschränkt sich das Bewußtsein für Freie Software doch zumeist auf die
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Erkenntnis, daß verfügbare Quellen einen sicherheitstechnischen
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Vorteil bringen.</p>
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<p>Dabei wird vernachlässigt, daß Freie Software neben den bekannten
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Vorteilen auch gerade die Grundrechte auf Meinungs- und
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Informationsfreiheit wahrt. Freie Software definiert sich über die
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Freiheit,
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<ul>
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<li>Software unbegrenzt und für jeden Zweck verwenden zu dürfen.</li>
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<li>untersuchen zu dürfen, wie eine Software funktioniert und sie
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den eigenen Bedürfnissen anpassen zu dürfen. Zugang zum Quelltext
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ist dafür eine Voraussetzung. </li>
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<li>Software kopieren und an Andere weiter geben zu dürfen.</li>
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<li>Software zu verbessern und die Verbesserungen allen zum
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allgemeinen Wohl zugänglich machen zu dürfen. Zugang zum Quelltext
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|
ist dafür eine Voraussetzung. </li>
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</ul>
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Somit gewährt Freie Software Freiheiten, die in unserer Zeit
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essentiell sind. Die durch ihre Omnipräsenz vom Wirtschafts- zum
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Kulturgut gewordene Software sichert als Freie Software nicht nur die
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Grundrechte aller Bürger sondern auch die Markt-, Wahl- und
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Wettbewerbsfreiheit.</p>
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<p>Es ist allgemein bekannt, daß das Bundesinnenministerium im September
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einen Rahmenvertrag mit Microsoft geschlossen hat. <a NAME="ref3" HREF="#fn3"><sup>3</sup></a> Weniger
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bekannt ist, daß das Ministerium in diesem Zusammenhang keinerlei
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Handlungsspielraum hatte.<br />
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Wie Ihnen jeder IT-Spezialist bestätigen wird, würde eine vollständige
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und plötzliche Umstellung der IT-Struktur des Ministeriums inklusive
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Schulung der Nutzer Monate in Anspruch nehmen, in denen das
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Ministerium seinen Aufgaben effektiv nicht mehr nachkommen könnte. Die
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Arbeit für Monate ruhen zu lassen, ist jedoch eine eher akademische
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Möglichkeit.<br />
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Das Ministerium besitzt in dieser Frage also keinerlei
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Entscheidungsfreiheit. Es ist hochgradig abhängig von den Interessen
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eines einzelnen Unternehmens. Ähnliches gilt für den Rest der
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Deutschen Regierung.</p>
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<p>Dieses Problem ist jedoch nicht Microsoft-spezifisch, sondern vielmehr
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ein allgemeines Problem proprietärer Software, deren System auf die
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Erzeugung von Monopolen angelegt ist.<br />
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Im Gegensatz dazu bietet Freie Software die Freiheiten, Software
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unbegrenzt auch nach Vertragsende zu verwenden und den Anbieter frei
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zu wählen. Damit bietet Freie Software zudem Wettbewerbsfreiheit, da
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mehrere Anbieter miteinander konkurrieren können. Bei proprietärer
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Software ist dies nur scheinbar der Fall, da alle Anbieter selber
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vollständig vom Hersteller ihrer Software abhängig sind.<br />
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Bei Betrachtung dieser Situation wird unmittelbar ersichtlich, daß bei
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proprietärer Software nicht nur der Endverbraucher, sondern auch die
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gesamte um seine Betreuung entstandene Wirtschaft von den Interessen
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eines einzelnen Unternehmens abhängen.</p>
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<p>Aus diesen Überlegungen folgt, daß Freie Software Kommunikations-,
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Wettbewerbs- und Monopolfreiheit gewährt. Darüberhinaus sichert Freie
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Software die Unabhängigkeit der Politik.<br /> Da das Postulat einer
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unabhängigen Regierung notwendige Bedingung unseres politischen
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Systems ist, sollte also in allen funktionskritischen Bereichen
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ausschließlich Freie Software eingesetzt werden.</p>
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<p>Es existieren mehrere Freie Systeme, die technisch ausgereift und
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zuverlässig sind. Neben dem GNU/Linux System wird es in den nächsten
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Jahren noch das GNU/Hurd System geben und auch die aus der
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"Berkeley Source Distribution" (BSD) entstandenen Systeme
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FreeBSD, NetBSD und OpenBSD sind Freie Software.<br />
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Die Entscheidung zwischen diesen Systemen sollte wiederum
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ausschließlich aufgrund praktischer, funktionaler und
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sicherheitsrelevanter Aspekte und unter Berücksichtigung der
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Nachhaltigkeit erfolgen.</p>
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<p>Wie bereits angedeutet wurde, sind Unabhängigkeit und
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Entscheidungsfreiheit nicht nur für die Regierung, sondern auch für
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Unternehmen maßgebliche Werte. Noch detaillierter auf die volks- und
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betriebswirtschaftlichen Vorteile Freier Software einzugehen würde an
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dieser Stelle jedoch zu weit führen.</p>
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<p>Die FSF Europe und insbesondere die Herren Bernhard Reiter und Werner
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Koch, unsere deutschen Ansprechpartner, stehen zu weiteren Gesprächen
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gerne zur Verfügung.</p>
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<p>Mit freundlichen Grüßen,<br />
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Georg Greve<br />
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FSF Europe, Präsident</p>
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<hr />
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<dt><a NAME="fn1"></a><sup>1</sup>
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Wie Ihnen vermutlich bekannt ist, geht das System
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auf die Bemühungen des GNU-Projekts zurück, aus dessen Arbeit in
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Verbindung mit dem Linux-Kernel das vollständige Betriebssystem
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wird. Dieses GNU/Linux System ist die Basis jeder sogenannten
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"Linux-Distribution".
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</dt>
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<dt><a NAME="fn2"></a><sup>2</sup>
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Siehe <a href="http://linux.kbst.bund.de/bundestag/bt-pp14.199.html">http://linux.kbst.bund.de/bundestag/bt-pp14.199.html</a>.
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|
</dt>
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<dt><a NAME="fn3"></a><sup>3</sup>
|
|
Siehe <a href="http://www.heise.de/newsticker/data/kav-27.09.01-000/">http://www.heise.de/newsticker/data/kav-27.09.01-000/</a>.
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