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<title>Der lange Weg des Routerzwangs zur Endgerätefreiheit</title>
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<h1>Der lange Weg des Routerzwangs zur Endgerätefreiheit</h1>
<p>Der Router. Obwohl oft staubbedeckt in einer
Ecke, ist er einer der wichtigsten Bestandteile für das heimische
Internet und Telefon. Allerdings gehört er den meisten
BenutzerInnen in Deutschland überhaupt nicht, obwohl er in ihren
Räumlichkeiten steht und sie dafür zahlen. </p>
<p>Noch zumindest, denn kürzlich hat das <a
href="http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2015/0301-0400/365-15.pdf?__blob=publicationFile&amp;v=1">Bundeskabinett
einen Gesetzentwurf verabschiedet</a>, um den so genannten
Routerzwang endgültig abzuschaffen, damit alle Kunden auch ein
anderes als das vom Provider gelieferte Endgerät nutzen können und
dieses auch frei modifizieren dürfen.</p>
<h2>Was ist Routerzwang?</h2>
<p>Dabei sah es lange sehr schlecht aus für diejenigen, die gerne
einen eigenen Router an die Dose in der Wand anschließen wollen.
Oft geben die Provider entweder die notwendigen Zugangsdaten nicht
heraus, verweigern den Support oder sperren den Zugang komplett.
Was wie ein Luxusproblem klingt, hat <a
href="/activities/routers/">enorme Auswirkungen auf Privatsphäre,
Sicherheit und Wettbewerb</a>. Über einen Router fließen in den
meisten Fällen sämtliche Telefonate und Internetverbindungen, und
viel zu häufig sind die vorgelieferten Geräte mit Sicherheitslücken
gespickt. Über bestimmte Protokolle kann der Provider stets
Kontrolle über solche Router erlangen und etwa Einfluss auf
Qualität des Internetverkehrs zu bestimmten Diensten nehmen.
Alternative Geräte, die beispielsweise auf Freier Software aufbauen
und deswegen Datenschutz und Sicherheit groß schreiben, haben auf
einem solch abgeschotteten Markt wenig Chancen, weil viele Nutzer
sie nicht ohne großen Aufwand einsetzen können, wenn die Provider
nicht mitspielen. Das stellt eine ungerechtfertigte Diskriminierung
von Benutzern Freier Software und deren Herstellern dar, denn wir
sollten stets die volle Hoheit über die von uns verwendeten Geräte
innehaben.</p>
<p>Grundstein der Debatte über Routerzwang ist seit jeher die
Definition des Netzabschlusspunkts. Dieser definiert, wo das
öffentliche Netz, also das des Anbieters, endet und wo das des
Kunden beginnt. Eigentlich sollte diese Schnittstelle die Dose in
der Wand sein, doch viele Provider legen das mitgelieferte Endgerät
als solche aus. Dadurch sei es auch legitim, dem Kunden die
Herausgabe von Zugangsdaten zum Ersatz dieses Geräts zu verweigern.
Bei den meisten Kabelanbietern muss das Modem gar erst durch einen
Techniker im Datenzentrum registriert werden. Die technischen
Gründe, die angeblich für diesen Zwang sprechen, sind jedoch
technisch nicht stimmig und dienen als Vorwand. In den USA etwa ist
dieser Markt liberalisiert und die beschworenen flächendeckenden
Netzausfälle sind nicht zu beobachten.</p>
<h2>Was bisher geschah</h2>
<p><a href="/activities/routers/timeline.html">Seit Anfang 2013</a>
schwelt die öffentliche Debatte über Zwangsrouter, stets begleitet
von der FSFE. Nachdem die Bundesnetzagentur in einem <a
href="https://netzpolitik.org/2014/routerzwang-das-intransparente-verfahren-zur-transparenzverordnung">intransparenten
Verfahren</a> nach zahlreichen Anhörungen und Workshops immer noch
unsicher war, ob sie nun den Routerzwang <a
href="/news/2014/news-20140929-01.html">gesetzlich legitimieren
soll</a>, obwohl sich nicht nur die FSFE, sondern auch die Mehrheit
von hunderten Stellungnahmen dagegen aussprach, übernahm Ende 2014
das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Das
Ministerium hat einen zufriedenstellenden Gesetzentwurf zuerst zur
Ratifizierung in die EU-Kommission und danach in das Bundeskabinett
gebracht und dabei bisher alle notwendigen Hürden im
Gesetzgebungsprozess überwunden. Das Gesetz wartet nun auf
Zustimmung von Bundesrat und Bundestag.</p>
<p>Wir hätten uns zwar noch weitere gesetzliche Festschreibungen
von Benutzerrechten für Kommunikationsgeräte gewünscht, aber der
jetzige Stand garantiert zumindest für den mittelfristigen Stand
der Technik ein Grundlevel von Nutzerfreiheiten. Um überhaupt bis
an diesem Punkt zu kommen, war einiges an Arbeit notwendig. Als
FSFE haben wir ein kleines Team interner und externer Experten
aufgebaut, welches zu vielen der Anhörungen der Bundesnetzagentur
detaillierte Stellungnahmen verfasst hat, welche neben
wirtschaftlichen Aspekten auch Nutzerfreiheiten im Sinne von Freier
Software und Offenen Standards angesprochen haben. Auch nach der
Übernahme des BMWi haben wir in Abstimmung mit anderen
Organisationen den Prozess stets kritisch begleitet und auf Mängel,
aber auch positive Entwicklungen aufmerksam gemacht.</p>
<p>Mit einer Modifikation von <a
href="http://www.gesetze-im-internet.de/fteg">FTEG</a> (Gesetz über
Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen) und <a
href="http://www.gesetze-im-internet.de/tkg_2004">TKG</a>
(Telekommunikationsgesetz) sollen die bisherigen Mängel nun behoben
werden. Der passive Netzabschlusspunkt soll klar definiert, die
Betreiber zur unaufgeforderten Bereitstellung von
„notwendige[n] Zugangsdaten und Informationen für den
Anschluss von Telekommunikationsendeinrichtungen und die Nutzung
der Telekommunikationsdienste“ verpflichtet und ein Bußgeld
von 10.000 Euro festgelegt werden, falls sie gegen diese
Informationspflichten verstoßen.</p>
<h2>Es ist noch nicht vorbei</h2>
<p>Momentan liegt das Gesetz dem Bundesrat zur Stellungnahme vor
und wird danach von der Bundesregierung dem Bundestag zu den drei
Lesungen vorgelegt. Wird das Gesetz angenommen, benötigt es noch
die Billigung des Bundesrats, um dann den Routerzwang sechs Monate
nach dessen Verkündigung abschaffen zu können. Doch damit das
tatsächlich gelingt, müssen wir diesen Prozess aufmerksam
verfolgen, und darauf achten, dass der Entwurf nicht verwässert
wird. Und Sie können dabei helfen: Kontaktieren Sie Ihre
Volksvertreter, dass sie dieses Gesetz unbedingt ohne weitere
Einschränkungen auf den Weg bringen sollen, um das absolute Minimum
an Endgerätefreiheit, Verbraucherschutz und Sicherheit zu
sichern.</p>
<p>Doch auch danach wird es spannend. Stellen sich Internetanbieter
bei der Verwendung eigener Geräte im Support quer? Können alle
Geräte problemlos an alternativen Routern eingesetzt werden? Findet
trotz Gesetz eine Diskriminierung irgendeiner Art statt? Wir können
uns über die bisherigen Erfolge freuen, doch dieses Thema ist zu
brisant, als dass sich Freunde alternativer Endgeräte in
trügerischer Sicherheit wiegen dürften. Für das kommende Internet
der Dinge, wo Kühlschränke und Heizungen über das Internet
erreichbar sein werden, spielen der Router und Endgerätefreiheit
allgemein eine noch viel zentralere Rolle. Wir gehen davon aus,
dass wir nicht das letzte Mal mit diesem Thema zu tun hatten, und
dass wir auch in anderen europäischen Ländern Gerätefreiheit
herstellen und verteidigen müssen.</p>
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<tag key="routers">Routerzwang</tag>
<tag key="de">Deutschland</tag>
<tag key="policy">Politik</tag>
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