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328 lines
13 KiB
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<head>
<title>SourceForge auf Abwegen</title>
</head>
<body>
<h2>SourceForge auf Abwegen</h2>
<h3>2001-10-20</h3>
<p>
In den letzten Monaten hat die Entwicklungsplattform
<a href="http://www.sourceforge.net/">SourceForge</a>,
welche eine große Anzahl
von <a href="http://www.gnu.org/philosophy/free-sw.html">Freie
Software</a>-Projekten beherbergt, ihre Politik geändert.
Möglichkeiten ein Projekt vollständig von SourceForge zu
exportieren wurden entfernt. Die dahinter stehende Technik
bestand früher ausschliesslich aus Freier Software; nun
<a href="http://www.google.com/search?q=cache:WxA5jbBHLMQ:sourceforge.net/docman/display_doc.php%3Fdocid%3D6267%26group_id%3D1+larry+augustin+site:sourceforge.net&amp;hl=en">basiert sie auch auf nicht-freier Software</a>.
Weiterhin wurden die Versuche von VA Linux[<a href="#valinux">1</a>]
die Beiträge von externen Mitentwicklern zu kontrollieren immer
undurchsichtiger.
</p>
<p>
SourceForge hat viel Gutes für die Freie Software-Gemeinde getan,
doch nun ist die Zeit gekommen sich zu befreien.
</p>
<h3>Einsperren von Benutzern in einer Welt unfreier Software</h3>
<p>
SourceForge brachte Freier Software eine vereinheitlichte
und standardisierte Entwicklungsmethodik,
aufbauend auf modernen Werkzeugen.
Diese Werkzeuge (Fehlerdatenbank, Versionskontrolle durch CVS,
Webseiten, Benutzerunterstützung, Foren, Umfragen, Nachrichtenkanäle,
usw.) waren zwar vorher schon einzeln erhältlich, aber wenige
Entwickler nutzen sie alle zusammen, weil sie dafür die Kombination
eigenhändig aufsetzen mussten.
SourceForge machte die Möglichkeiten, sowohl für neue und
erfahrende Entwickler, leicht zugänglich.
</p>
<p>
Wegen dieses Komforts von SourceForge ist seine Sammlung
von Diensten für viele Entwickler selbstverständlich geworden.
Sie würden nur ungern zu den alten Verhältnissen zurückkehren.
Unglücklicherweise bedeutet das auch, dass wenn SourceForge
in die falsche Richtung geht, es tendentiell viele
Freie Software-Entwickler mit sich zieht.
</p>
<p>
Die zweite wichtige Sache, welche SourceForge ausmachte, war,
dass sie diese Umgebung ausschliesslich mit
<a href="http://www.gnu.org/philosophy/free-sw.html"
>Freier Software</a>
aufbauten und zur Verfügung stellten.
Insofern bot SourceForge der Freien Software-Gemeinde nicht
nur eine mächtige Methodik an, sondern demonstrierte damit
gleichzeitig was mit Freier Software möglich ist und warb dafür
Freie Software zu verwenden.
Und da die spezielle Software für SourceForge frei war,
konnte jeder einen ähnlichen Service aufsetzen.
Die SourceForge-Software wurde so unwiderruflich für Entwickler
in aller Welt zugänglich. Entwickler, welche (beispielsweise)
in Indien leben und sich den Datendurchsatz zum
SourceForge-Server nicht leisten können, wären in der angenehmen
Lage die gleichen Möglichkeiten auf ihrem Server einzurichten.
</p>
<p>
Im August 2001 vollzog VA Linux eine Kehrtwende in ihrer Politik
und fügte proprietäre Software zum SourceForge-Server hinzu.
Mit der
<a
href="http://www.google.com/search?q=cache:WxA5jbBHLMQ:sourceforge.net/docman/display_doc.php%3Fdocid%3D6267%26group_id%3D1+larry+augustin+site:sourceforge.net&amp;hl=en">
Ankündigung</a>, gibt Larry Augustin (VA Linux CEO) an,
dass die Benutzer von SourceForge.net <i>"praktisch keinen
Unterschied bemerken würden"</i>.
Das mag zwar stimmen, wenn letztere Scheuklappen aufsetzten
und nur einbezögen, was dieser eine Server ihnen bietet
und wie er sich bedienen läßt. Wenn wir jedoch über die Auswirkungen
nachdenken, stellt sich die Situation ganz anders dar.
Anstatt ein gutes Beispiel für Freie Software zu sein,
demonstriert SourceForge nun unfreie Software. Es besteht
die Gefahr, dass die vielen tausend registrierten Menschen
sich an SourceForge und damit an die mit unfreier Software
implementierten Möglichkeiten gewöhnen.
</p>
<p>
Ihnen als Entwickler Freier Software wäre es weiterhin gestattet
den SourceForge-Server ohne Entgeld zu nutzen, aber Sie würden
die Freiheit die Software zu verwenden, vervielfältigen,
anzupassen, zu studieren und weiterzugeben verlieren.
Sie wären nicht frei einen ähnlichen Server selbst aufzusetzen
oder auf Ihre Bedürfnisse anzupassen.
Die letzte
<a href="http://sourceforge.net/projects/alexandria/"
>Veröffentlichung</a>
der SourceForge-Server-Software liegt ein Jahr zurück.
</p>
<p>
Die Hinwendung zu unfreier Software war das Ergebniss einer
Reihe von Schritten mit dem Ziel die Benutzer an SourceForge
zu ketten. Es gab nie einen Weg ein Projekt vollständig aus
SourceForge zu extrahieren. Es gab Anstrengungen in diese Richtung
deren Ergebnisse dieses Jahr wieder entfernt wurden.
Zur Zeit ist nur der
<a href="http://cvs.sourceforge.net/cvstarballs/"
>CVS-Baum</a>
und die
Fehlerdatenbank (mit <i>/export/sf_tracker_export.php</i>)
erhältlich.
Wenige Leute wissen von letzterem, da die Methode nicht
beschrieben ist.
Die
<a href="http://www.sourceforge.net/export/"
>Export-Seite</a>
beschreibt wie Skripte verwendet werden, welche schon nicht
mehr existieren. Die Implementation von weiteren Export-Möglichkeiten
wurde gestoppt. Das Entwicklungsteam besteht ausschliesslich
aus Angestellten von VA Linux und ein paar wenigen Leuten,
welche den Quelltext nicht rausgeben dürfen.
</p>
<p>
Die
<a href="http://www.geocrawler.com/about/"
>Archive der E-Mail-Verteiler</a>, ein Hauptangebot von
SourceForge, werden seit kurzem <i>nicht mehr betreut</i>.
Wird dieses Angebot durch eine Lösung mit unfreier Software
ersetzt?
</p>
<h3>Aneignung der Arbeit Freiwilliger</h3>
<p>
Folgendes passierte mir kurz vor der Ankündigung,
SourceForge würde unfreie Software benutzen und entwickeln.
Da ich als Beitragender zur SourceForge Software aufgeführt bin
(in den
<a href="http://chris.from.lu/SF2.5/AUTHORS"
>Quellen</a>
und der
<a href="http://sourceforge.net/docman/display_doc.php?docid=751&amp;group_id=1"
>Dokumentation</a>)
erhielt ich von VA Linux die Anfrage ihnen die Nutzungsrechte
zu überschreiben. Das war weder überraschend noch war ich
darüber unglücklich. Viele Freie Software-Projekte verlangen
von Entwicklern, dass sie die Nutzungrechte an ihren Änderungen
an den Hauptautor übertragen. Die Überschreibung auf einen
alleinigen Rechteinhaber ist eine Strategie um die
<a href="http://www.gnu.org/licenses/gpl.html">GNU GPL</a>
effektiver verteidigen zu können und gern hätte ich
auf diese Weise kooperiert.
</p>
<p>
Als ich jedoch die Einzelheiten der Vereinbarung las,
entdeckte ich schwerwiegende Probleme. Ich wurde aufgefordert
die Rechte an meinem Werk, "<i>welches in der jetzigen
Version der SourceForge Software-Entwicklungsplattform oder
eventuell auch in einer zukünftigen verwendet wird</i>"
zu übertragen. Die Übertragung war nicht auf meinen Beitrag
zur SourceForge-Software beschränkt, sondern bezog sich
möglichweise auf mein gesamtes, bereits erstelltes oder zukünftiges
Werk, wenn für SourceForge daran irgendwie Interesse besteht.
</p>
<p>Ich erwartete ausserdem die Zusage, dass mein Werk
unter der GNU GPL herausgegeben würde, aber die
Vereinbarung enthielt nichts über Freie Software.
VA Linux wäre es erlaubt, die Software welche ich
schrieb unter einer unfreien Software-Lizenz herauszugeben
und sie der Gemeinschaft vorzuenthalten.
Zu diesem Moment war ich mir noch nicht sicher, ob diese Sorge
nicht unberechtigt war, da VA Linux ausschliesslich Freie Software
erstellte und einsetzte. Zwei Wochen später entschieden
sie unfreie Software in SourceForge einzuführen
und das warf ein anderes Licht auf die Frage.
</p>
<p>
VA Linux sagte mir, sie hätten die Vereinbarung nur
an zwei Personen geschickt, in der Hoffnung sie zu verbessern.
Wir begannen eine zwei Monate lange Diskussion.
Ich nahm an, die Diskussion habe zum Ziel die Vereinbarung
passender für die Freie Software-Gemeinde machen, also
bemühte ich mich konstruktiv beizutragen.
Schlussendlich erhielt ich eine Version der Nutzungsrechtsübertragung
erstellt von der Rechtabteilung. Ich zitiere es hier vollständig:
</p>
<blockquote>
SourceForge Copyright Assignment
<p>
<i>Thank you for your interest in contributing software code
to SourceForge.</i>
</p>
<p>
<i>In order for us to include the code in our product, we will
need you to provide us with the rights to the code.</i>
</p>
<p>
<i>By signing this agreement, you, the undersigned, hereby
assign to VA Linux all right, title and interest in and to
the software code described below, and all copyright,
patent, proprietary information, trade secret, and other
intellectual property rights therein. You also agree to take
all actions and sign all documents (such as copyright
assignments or registrations) reasonably requested by VA
Linux to evidence and record the above assignments.</i>
</p>
</blockquote>
[Anmerk. des Übersetzers: Inoffizielle Übersetzung nur zur Erläuterung ]
<blockquote>
SourceForge "Copyright"-Übertragung
<p>
<i>Danke für Ihr Interesse Quelltext zur SourceForge-Software
beizusteuern.</i>
</p>
<p>
<i>Damit wir den Quelltext in unserem Produkt einfügen
können benötigen, wir von Ihnen die Rechte am Quelltext.</i>
</p>
<p>
<i>Mit dieser Vereinbarung übertragen Sie VA Linux,
durch Ihre Unterschrift, alle Rechte über jedwege Nutzung
oder sonstige Ansprüche an dem unten beschriebenen Quelltext.
Im besonderen schliesst das alle Nutzungsrechte,
Patentansprüche und Geschäftsgeheimnisse mit ein.
Weiterhin stimmen Sie überein alle
weiteren Handlungen vorzunehmen und alle Dokumente
zu unterschreiben (wie Nutzungsrechtsüberschreibungen
oder Registrierungen) welche von VA Linux für vernünftig
erachtet werden um die hier getroffene Vereinbarung
zu beweisen oder zu dokumentieren.</i>
</p>
</blockquote>
<p>
Das griff nach noch mehr Rechten als der erste Entwurf.
"<i>Sie erlauben uns alles, wir versprechen nichts</i>".
An diesem Punkt wusste ich, dass die Versuche die Vereinbarung
klarer abzufassen Zeitverschwendung waren. VA Linux sammelte die
Nutzungrechte offensichtlich nicht, um damit die GNU GPL durchzusetzen.
</p>
<h3>Wege aus der Fallgrube</h3>
<p>
Für Menschen welche Freiheit als Wert schätzen, ist nun die Zeit
gekommen, sich von SourceForge abzuwenden. Es hat sich
in eine Teergrube verwandelt von der zu entkommen immer schwerer
werden wird. Software-Entwicklungs-Server, welche vollständig auf
Freier Sofware basieren, gibt es viele auf der ganzen Welt.
Es ist möglich einen eigenen auszusetzen, sich einem bestehenden
anzuschliessen oder die darunter liegende Software zu schreiben.
Vor einigen Monaten half ich mit für das GNU-Projekt
<a href="http://savannah.gnu.org/">Savannah</a>
aufzusetzen, weil ich den Bedarf für eine gemeinschaftlich
betriebene Plattform sah. Zusammen mit Freunden und Mitentwicklern
sind wir dabei Software für
<a href="http://savannah.gnu.org/docs/savannah-plan.html"
>verteile Softwareentwicklungs-Server</a>
neu zu schreiben und herauszugeben. Die Idee ist, einen
SourceForge ähnlichen Dienst innerhalb weniger Stunden aufsetzen
zu können.
Savannah wird Ende des Jahres mit dieser Software laufen.
Zu Beginn mag sie weniger Funktionalität als SourceForge haben,
aber sie hat eine strahlende Zukunft weil sie ihre Wurzeln
in einer gemeinschaftlichen Leistung von Leuten hat, welche
Freie Software miteinander teilen.
</p>
<p>
SourceForge war wie Freibier, weil es von Anfang an so
entworfen wurde. Es war ein sehr teures Geschenk
von sehr kurzer Haltbarkeit für die Freie Software-Gemeinschaft.
Wir sollten wütend auf VA Linux sein, uns ein solch vergiftetes
Geschenk gemacht zu machen.
Auf der anderen Seite denke ich, dass wir
VA Linux danken sollten. Sie brachten uns die Methodik
und lehrten uns, dass eine Plattform für
Entwicklungs-Server verteilt und in gemeinschaftlicher Art und
Weise entwickelt werden muss; nicht von einem einzelnen
Unternehmen, was alles von vorne bis hinten kontrolliert.
Das bedeutet selbstverständlich auch,
das jeder ein wenig Zeit zum Entwickeln und
Pflegen solcher Angebote für Entwickler einbringen muss.
Wir haben unser Glas ausgetrunken,
es ist Zeit unsere Freiheit zu gewinnen.
</p>
<p>
<i><a href="mailto:loic@gnu.org">Loïc Dachary</a></i>
<br/>
Übersetzung aus dem Englischen vom 11.11.2001:
<a href="mailto:reiter@fsfe.org" >Bernhard Reiter</a>
</p>
<ol class="fn">
<li id="valinux"> <a href="http://www.valinux.com/">VA Linux</a> besitzt
den <a href="http://www.sourceforge.net/">SourceForge</a> Domain Namen,
stellt eigene Hardware zur Verfügung, bezahlt den Datenverkehr und Leute
welche SourceForge pflegen. Zu VA Linux gehören auch die meisten <a
href="http://www.osdn.com/">OSDN</a> Webserver, die größte Ansammlung
Freier Software Informationen in der Hand eines einzigen Unternehmen.</li>
</ol>
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